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Fall Fourniret bekommt europäische Dimension

Der spektakuläre Fall des mutmaßlichen Serienmörders und Kinderschänders Michel Fourniret bekommt zunehmend eine europäische Dimension.

Die Ermittler befürchten, dass der Sexualstraftäter weit mehr Verbrechen begangen hat als die neun zugegebenen Morde in Belgien und Frankreich. Überprüft werden weitere Fälle in diesen Ländern sowie in den Niederlanden und Dänemark.

Der Generalstaatsanwalt von Reims, Yves Charpenel, äußerte Zweifel daran, dass Fourniret zwischen 1990 und 2000 inaktiv gewesen sei. „Er hat gesagt, dass er zwei junge Mädchen pro Jahr ’gejagt’ hat“, sagte Charpenel der Zeitung „Le Parisien“ vom Montag. Viele Vergewaltigungsopfer gingen aus Scham oder Schuldgefühl nicht zur Polizei. Sie sollten dies nachholen. „Die große Medienwirkung dieser Affäre hilft uns vielleicht, Fälle von Verschwundenen zu klären“, fügte er hinzu.

Belgische und französische Beamte trafen sich am Montag bei Paris, um Ermittlungsergebnisse abzugleichen. Die dänische Polizei will mit DNA-Tests klären, ob Fourniret auch 1999 eine Elfjährige auf der Insel Falster vergewaltigt und gewürgt hat. Das Kind war an einem Strand entführt und in einem Wald missbraucht worden. Der Täter flüchtete wohl im Glauben, es getötet zu haben. Eine Phantomzeichnung nach Zeugenaussagen weist Ähnlichkeit mit Fourniret auf.

Unterdessen mehren sich Hinweise auf Ermittlungspannen im Fall des Triebtäters, der erstmals 1966 wegen Voyeurismus und Exibitionismus verurteilt worden war. Die belgische Polizei habe 1996 Fournirets Haus durchsucht und seine Ehefrau und mutmaßliche Komplizin Monique Olivier verhört, berichtet die flämische Zeitung „De Morgen“. Damals habe die Polizei eine Waffe gefunden. Ein inzwischen gestorbener Fahnder aus Belgien habe wegen Fourniret Kontakt zu französischen Ermittlern gehabt. Das gehe aus Unterlagen zum Dutroux-Prozess hervor. Trotzdem habe Fourniret bis 2003 weiter in Belgien unbescholten gelebt.

Ebenfalls ohne Folgen blieb in Frankreich ein Hinweis darauf, dass der angeblich mittellose Fourniret in den Ardennen das Schloss Sautou gekauft hatte. Laut der Zeitung „Le Parisien“ hatte ein früherer Mithäftling Fournirets, Jean-Pierre Hellegouarch, 1999 vergeblich die Staatsanwaltschaft Creteil auf den Kauf hingewiesen. Fourniret soll Hellegouarch bestohlen und damit das Schloss finanziert haben. Bei dem Schloss waren am Samstag die Leichen von zwei Opfern Fournirets ausgegraben worden. Sie sollen ab Dienstag in Marseille obduziert werden.

Die meisten Opfer Fournirets waren junge Mädchen, die er vergewaltigte und erdrosselte. Einige Taten soll er so organisiert haben, dass sie anderen Tätern zugeschrieben wurden. Ein von Fourniret gestandener Raubmord an einem Autofahrer Ende der 80er Jahre sei möglicherweise damals aktiven Autobahnpiraten zugerechnet worden, sagte Charpenel. Außerdem wird der Franzose anderer Schwerverbrechen bezichtigt. „Man weiß, dass er hinter bewaffneten Überfällen in Belgien steckt.“

Bei der Aufklärung der Fälle setzt die Justiz stark auf Geständnisse. „Fourniret und seine Frau nennen viele Details, aber manche sind falsch“, sagte Staatsanwalt Charpenel. In den kommenden Tagen könne es weitere Grabungen nach Leichen geben. Fourniret spricht aber nicht mit jedem und gibt offenbar nicht alles preis. „Das ist ein Schachspieler. Wenn er sieht, dass er geschlagen ist, wirft er den König um.“

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