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Faktencheck: Kennzeichnung von Lebensmittel mit Insekten

Lebensmittel mit Insekten als Zutat, müssen entsprechend gekennzeichnet werden.
Lebensmittel mit Insekten als Zutat, müssen entsprechend gekennzeichnet werden. ©pixabay.com (Sujet)
Die Meldung schlug vergangene Woche hohe Wellen: Insekten als zugelassene Lebensmittel in der EU. In sozialen Medien wurde nach der Meldung vor unzureichend oder gar nicht gekennzeichneten Lebensmitteln gewarnt. Ein Faktencheck.

Dass so ein Thema neben vielen richtig kolportierten Fakten auch einige Falschinformationen mit sich bringt, ist nicht verwunderlich. So wurde in sozialen Medien oftmals vor unzureichend oder gar nicht gekennzeichneten Lebensmitteln gewarnt, ebenso vor fehlenden Allergenhinweisen.

Faktencheck: Alle Lebensmittel mit Insekten werden gekennzeichnet

Einschätzung: Kein Insekt darf - in welcher Form auch immer - ungekennzeichnet in EU-Lebensmitteln verarbeitet werden. Zudem müssen Produkte, die komplett oder auch nur zum Teil aus Insekten bestehen, auch mit entsprechenden Allergenhinweisen versehen werden. Beides ist in den entsprechenden Verordnungen klar geregelt.

Überprüfung: Rund zwei Milliarden Menschen weltweit essen laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen Insekten. In der EU gelten die Tiere trotzdem als neuartige Lebensmittel und unterliegen daher der Novel Food Verordnung, die 1997 verfasst und 2015 um Insekten ergänzt wurde. Per Definition zählen dazu Nahrungsmittel, "die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden."

Insekten in Nahrungsmitteln mit hohen Qualitätsstandards

Mit der Aufnahme in diese Liste wurde gesichert, dass die Inverkehrbringung von Insekten als Nahrungsmitteln höchsten Auflagen und Qualitätsstandards entsprechen muss. EU-Konsumenten können sich deshalb darauf verlassen, dass ihnen diese Lebensmittel nicht schaden. Dafür sorgen etwa auch Studien und Verordnungen wie die vergangene Woche erlassenen.

Menschen müsse die Angst vor Insekten genommen werden

Christoph Thomann, CEO und Gründer der Firma Zirp Insects GmbH , kennt die Sorgen der Konsumenten. Nach rund zehn Jahren Beschäftigung mit der Thematik weiß er: "70 Prozent der Menschen haben Angst, wenn sie das Wort 'Insekten' hören." Diese Angst müsse ihnen genommen werden, sobald Insekten in Lebensmittel eingearbeitet werden. Dafür, das zu tun, gibt es für Thomann "etliche Gründe". Allen voran sind Insekten verhältnismäßig ressourcenschonend, zudem laut Zirp die "beste tierische Proteinquelle".

Insekten-Verkauf im Ganzen oder verarbeitet schon 2021 legal

Dass Insekten im Ganzen oder in verarbeiteter Form innerhalb der EU verkauft werden dürfen, ist nicht erst seit Ende Jänner 2023 der Fall. Laut Thomann ist das "im ganzen EU-Raum seit spätestens 2021 erlaubt und in einigen EU-Ländern wie Deutschland, aber auch Österreich schon seit 2015".

Anfangs durften sie demnach nur im Ganzen für Lebensmittel verwendet werden, seit 2021 auch in verarbeiteter Form. Ursprünglich waren ganze Insekten für den Europäischen Gerichtshof keine neuartigen Lebensmittel, seit 2018 müssen auch diese den entsprechenden Genehmigungsprozess durchlaufen.

Darum kam es zu Änderungen in der EU-Verordnung

Auf das laut Verordnung "teilweise entfettete Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)" kam der Novel-Food-Antrag vom vietnamesischen Unternehmen Cricket One Co. Ltd am 29. Juli 2019. "Dieser wurde genehmigt, weshalb es zu der Änderung in der EU-Verordnung gekommen ist", schreibt Thomann der APA - Austria Presse Agentur. Den Antrag auf Genehmigung des Inverkehrbringens von "Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer) in gefrorener, pastenartiger, getrockneter und pulverisierter Form" stellte das niederländische Unternehmen Ynsect NL B.V. am 7. Jänner 2018.

Kennzeichnungs-Pflicht von Produkten mit Insekten

Schon bisher mussten Anbieter von Produkten mit Insekten als Zutaten diese entsprechend kennzeichnen. "Die Angst, dass Grillenmehl jetzt unwissentlich in Lebensmittel beigemischt wird, ist unbegründet", erklärt Thomann dazu. Daniela Krehl vom Verbraucherschutz Bayern bestätigte dies gegenüber dem Focus: "Was als neuartiges Lebensmittel zugelassen ist, muss als Zutat auf der Zutatenliste erscheinen."

Kennzeichnung mit lateinischem Namen und in Landessprache nötig

Die in Social-Media-Postings geäußerte Angst, dass Konsumenten mit der lateinischen Kennzeichnung "Acheta domesticus" hinter das Licht geführt werden könnten, ist unberechtigt. Laut EU-Verordnung lautet die Kennzeichnung "Acheta domesticus (Hausgrille)" und ist in Klammern in der jeweiligen Landessprache anzugeben.

Allergiehinweise auf Lebensmittelprodukten nicht neu

Auch die verpflichtenden Allergiehinweise sind nicht neu. Da Personen, die allergisch auf Weichtiere, Krebstiere und/oder Hausstaubmilben sind, auch auf den Verzehr von Insekten allergisch reagieren könnten, ist dieser Allergenhinweis auf allen Produkten mit Insekten anzuführen. Diese zählen laut Zirp im Übrigen "generell nicht zum vegetarisch/veganen Lebensstil" und müssen daher entsprechend als Lebensmittel tierischen Ursprungs gekennzeichnet werden.

Allergenität von Insekten zsoll weiter erforscht werden

Den jüngsten beiden EU-Durchführungsverordnungen zu Lebensmittelinsekten ist zu entnehmen, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit empfahl, die Allergenität der Insekten "weiter zu erforschen". Bis dahin sei "die Kommission der Auffassung, dass keine spezifischen Kennzeichnungsvorschriften (...) aufgenommen werden sollten."

Insekten in Keksen oder Backwaren eher noch Zukunftsmusik

Generell sehen Experten das Thema eher noch als Zukunftsmusik auf einem bisher überschaubaren Markt. Dass Firmen von der Möglichkeit, Insekten etwa in Kekse oder andere Backwaren zu mischen, Gebrauch machen, liegt laut Lebensmittelchemiker Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg "wirklich noch in weiter Ferne". Auch wirtschaftlich ist der Anreiz demnach noch nicht gegeben. "Produkte mit Insektenmehl werden zum Teil deutlich teurer verkauft", sagte Valet der Deutschen Presse-Agentur.

Speiseinsekten in Österreich aus kontrollierter Aufzucht

Speiseinsekten, die hierzulande vertrieben werden, stammen laut Valet stets aus kontrollierter Aufzucht. Das betont auch Thomann, der lediglich vor dem Verzehr von "Wildfang" warnt. Dass dieser nicht in den Handel gerät, soll durch das strenge EU-Regelwerk sichergestellt werden. Denn die Lebensmittelsicherheit habe für die Kommission "oberste Priorität".

(APA/Red)

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