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F: Größte Justizaffäre bleibt ungelöst

Eine der größten Justizaffären Frankreichs bleibt ungelöst: Der Kassationshof lehnte am Donnerstag auch den 15. Antrag ab, einen vor acht Jahrzehnten wegen Mordes verurteilten Schreiner freizusprechen.

Guillaume Seznec starb bereits vor 52 Jahren. Er wäre der erste Franzose gewesen, der nach seinem Tod rehabilitiert worden wäre.

Obwohl die Generalstaatsanwaltschaft von der Unschuld des Bretonen überzeugt war und das Justizministerium den Antrag vor fünf Jahren selbst stellte, wurde das Urteil nicht aufgehoben. Gerichtspräsident Bruno Cotte erklärte, es habe keine neuen Fakten gegeben, die dies gerechtfertigt hätten. Der Enkel Guillaume Seznecs, Denis, zeigte sich erschüttert und sprach von einer „absoluten Schande“ für die Justiz.

Seit der Dreyfus-Affäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat kaum eine Strafsache für solches Aufsehen in Frankreich gesorgt, der Stoff wurde 1992 verfilmt. Im Mai 1923 waren der Tischler und der Senator Pierre Quemeneur aus ihrem Heimatdorf Morlaix nach Paris aufgebrochen. Dort kam jedoch nur Seznec an, Quemeneur verschwand; seine Leiche wurde niemals gefunden. Ein Jahr später verurteilte ein Schwurgericht Seznec wegen Mordes an seinem Freund zu lebenslanger Zwangsarbeit in einer Strafkolonie.

Beweise fanden sich nicht, und Seznec beteuerte bis zu seinem Tod 1954 seine Unschuld. Die Familie kämpfte seit mehr als einem halben Jahrhundert für die Sühnung des mutmaßlichen Justizirrtums, für Enkel Denis wurde es ein Kampf des Lebens. „Ich stehe einen Meter vor dem Gipfel des Mount Everest“, sagte er vor der Entscheidung. „Bei einer Niederlage würde ich abstürzen, das könnte ich nicht überleben.“

Das Gericht folgte Generalstaatsanwalt Jean-Yves Launay nicht, der erhebliche Zweifel an der Schuld Seznecs hatte. Nach Darstellung der Familie wurde der Schreiner Opfer eines Komplotts. Er selbst beteuerte stets, Quemeneur sei in Paris mit einem russischen Autoschieber verabredet gewesen. Der damals ermittelnde Inspektor Pierre Bonny fand von diesem angeblich keine Spur. Anwälte der Seznecs wollen jedoch Zeugenaussagen entdeckt haben, wonach es den mysteriösen russischen Kontaktmann sehr wohl gab. Nur habe dieser mit dem korrupten Polizisten Bonny zusammengearbeitet. Ihre These, Bonny und der Russe hätten Quemeneur aus dem Weg geräumt und die Tat Seznec angelastet, wird sich wohl nicht mehr belegen lassen.

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