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F: Generalstreik hat begonnen

Mit landesweiten Streiks und Demonstrationen haben Frankreichs Gewerkschaften, Schüler und Studenten den Druck auf Premierminister Dominique de Villepin spürbar verstärkt.

Am vierten Aktionstag demonstrierten bereits mittags landesweit Hunderttausende gegen die umstrittene Arbeitsrechtsreform des Regierungschefs. Fast überall gingen weit mehr Menschen auf die Straße als während des nationalen Demonstrationstages vom 18. März.

In dem verhärteten Konflikt haben die führenden Gewerkschaften ein neues Gesprächsangebot des Premierministers für Mittwoch abgelehnt. Villepin hatte Gewerkschaften und Studentenverbände am Vorabend des Aktionstages schriftlich eingeladen, mit ihm über „Anpassungen“ der Reform zu sprechen. Die Gegner verlangen eine Rücknahme des Gesetzes zum Ersteinstellungsvertrag.

Villepin lehnte es am Dienstag einmal mehr ab, das Gesetz zurückzuziehen, ist aber nach Angaben aus Regierungskreisen bereit, über die darin vorgesehene zweijährige Probezeit für Berufsanfänger unter 26 Jahren zu reden. Er sei dabei weiterhin dagegen, dass Kündigungen in der CPE-Probezeit begründet werden müssten. „Villepin will diese Krise allerdings so rasch wie möglich beenden“, hieß es.

Der Wind bläst Villepin inzwischen auch aus der eigenen Partei immer stärker ins Gesicht. Innenminister Nicolas Sarkozy, Villepins Rivale im Rennen um die Kandidatur im konservativen Lager für das Präsidentenamt, forderte ein Aussetzen der Reform. Der umstrittene Erstanstellungsvertrag (CPE), der eine weitgehende Abschaffung der Kündigungsfrist vorsieht, solle nicht in Kraft treten, solange die Regierung mit den Gewerkschaften verhandele, forderte der Chef der Regierungspartei UMP.

Bereits am Montagabend warf er Villepin indirekt mangelnde Kompromissbereitschaft vor. „Man kann standhaft sein, ohne starr zu sein, zuhören, ohne seine Überzeugungen aufzugeben, versöhnlich sein, ohne schwach zu sein“, sagte Sarkozy.

Zu Mittag zogen bereits 250.000 Menschen durch die Straßen von Marseille, es handelte sich nach Gewerkschaftsangaben um eine der größten Demonstrationen in der Geschichte der Stadt. Auch aus Nantes, Caen, Brest, Rouen, Le Havre und Tours meldete die Polizei Teilnehmerzahlen von jeweils mehr als 10.000 Menschen.

Bei Paris steckten die Pendler in Staus von mehr als hundert Kilometern fest, da die Hälfte der Züge sowie zahlreiche Busse und Metro-Verbindungen ausfielen. Jeder dritte TGV-Hochgeschwindigkeitszug und 60 Prozent der Regionalzüge fuhren nach Angaben der Staatsbahnen (SNCF) nicht, 27,7 Prozent der Eisenbahner streikten. Im Bildungswesen waren nach Behördenangaben 43 Prozent der Lehrer und 27 Prozent des übrigen Personals im Streik. Etwa 30 Prozent der Flüge wurden gestrichen. Präsident Jacques Chirac bleibt wegen der angespannten Lage in Paris, er sagte eine Reise nach Le Havre am Donnerstag ab.

Auch Beschäftigte bei der Post und bei den Medien des Landes schlossen sich dem Streik an. Beim Stromversorger Electricite de France(EdF) wurde nach dem Ausstand von Angestellten die Produktion gedrosselt – laut EdF allerdings unmerklich für die Verbraucher. Die Produktion sei um rund vier Prozent zurückgefahren worden und werde im Tagesverlauf noch weiter sinken, sagte eine Gewerkschaftssprecherin. Auch der führende französische Ölkonzern Total musste einen leichten Produktionsrückgang hinnehmen. Versorgungsengpässe würden aber nicht erwartet, sagte eine Total-Sprecherin.

Der Unternehmerverband MEDEF ist nicht dagegen, die Reform auszusetzen, um in der verfahrenen Lage einen Dialog in Gang zu bringen. „Das ist allerdings Sache des Premierministers und der Regierung“, sagte MEDEF-Präsidentin Laurence Parisot am Dienstag. Auch der Innenminister und Villepin-Rivale Nicolas Sarkozy sprach sich dafür aus, die Reform für Verhandlungen zunächst auszusetzen.

Es sei nicht vernünftig, wenn die Gewerkschaften ultimativ die Zurücknahme des gelockerten Kündigungsschutzes für Berufsanfänger forderten, sagte Parisot. Andererseits sei aber „ein gefährlicher Punkt der Spannung und der Krise für unser gesamtes Land erreicht“.

Weil Übergriffe von Krawallmachern befürchtet werden, haben Gewerkschaften und Verbände ihre Ordnungsdienste verstärkt. In Paris ist die Zahl eingesetzter Polizisten auf 4000 erhöht worden. Dort war es am vergangenen Donnerstag zu äußerst schweren Krawallen gekommen. Erste Auseinandersetzungen zwischen etwa 100 Randalierern und den Polizeikräften gab es mittags in Savigny-sur-Orge südlich von Paris.

Eklat im Parlament

Im französischen Parlament ist es am Dienstag bei der Befragung von Premierminister Dominique de Villepin zur umstrittenen Reform des Arbeitsrechts zu einem Eklat gekommen. Die Zentrumsfraktion der UDF verließ geschlossen den Saal, weil der Regierungschef nur auf eine Frage aus der eigenen UMP-Fraktion selbst antwortete. Die Antworten auf Fragen von UDF, Sozialisten und Kommunisten delegierte er Kabinettskollegen.

„Der Premierminister war nur bereit, auf Fragen der UMP zu antworten. Das zeigt gut, dass er einen exklusiven Dialog mit der UMP führt“, erklärte der UDF-Sprecher Francois Sauvadet. „Man führt kein Land, indem man sich starrköpfig zeigt. Vor allem, wenn Hunderttausende auf den Straßen sind“, sagte er unter Hinweis auf eine Massendemonstration in Paris und landesweiten Streiks gegen die Reform. Villepin akzeptiere nur Verhandlungen zu seinen „eigenen Bedingungen und im exklusiven Gespräch mit der UMP“.

Zuvor hatte Villepin bedauert, dass die Gewerkschaften seine zu Gesprächen „gereichte Hand“ zurückwiesen. Er hatte dabei auf seinem Gesetz zur Arbeitsrechtsreform grundsätzlich beharrt und Gespräche über Nachbesserungen der von den Gewerkschaften kritisierten Punkte angeboten. Die Gewerkschaften lehnen einen weiteren „Fototermin“ bei Villepin ab und verlangen auf die völlige Rücknahme der Reform.

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