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F: Chirac bietet Bush die Stirn

Das Szenario erinnert an die diplomatisch hektische Zeit vor dem Einmarsch der Amerikaner in den Irak. Paris hält im Nahost-Konflikt nichts von militärischen Lösungen wie im Irak.

Wie im Jahr 2003 bietet der französische Präsident Jacques Chirac, wohl an keinem anderen Land außer dem eigenen so interessiert wie am Libanon, dem US-Kollegen George W.©Bush die Stirn. Der 73-Jährige, dessen Amtszeit im Mai nächsten Jahres endet, pocht darauf, französische Truppen erst dann unter UNO-Flagge in den Südlibanon zu entsenden, wenn die Waffen schweigen und es ein politisches Abkommen gibt. Gleichzeitig will Paris den Iran stark in die Suche nach einer Lösung einbinden – sicherlich auch das zum Leidwesen der Amerikaner.

Zwei Mal hatten die Vereinten Nationen bereits eine technische Vorbereitungssitzung für die geplante multinationale Libanon-Truppe angesetzt. Getagt werden konnte noch nicht, vor allem, weil Paris so überstürzt nicht zur Sache kommen will. Chirac, sein Außenminister Philippe Douste-Blazy und Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie können dabei auch sehr wohl Bedingungen stellen: Frankreich ist als „nation leader“ für eine bis zu 20.000 Soldaten starke UNO-Truppe im Gespräch, könnte selbst bis zu 5000 Mann stellen.

Chirac mag jedoch keine Soldaten einsetzen, die sich fragen, was sie dort genau sollen. „Washington und London wollen aber schnell eine solche Mission planen, im Übrigen ohne selbst auch nur einen Soldaten am Boden zu haben“, sagt ein Diplomat. Und während Amerikaner und Engländer eine „robuste“ Truppe vor Augen hätten, um die Hisbollah zu entwaffnen, zöge es Paris vor, diese Aufgabe der libanesischen Regierung zu übertragen. Die US-Sicht ist „konträr zu unserer Vision. Wir glauben nicht an eine militärische Lösung, man sehe sich den Irak an“, warnte Douste-Blazy.

Die Interessen des Zedernstaates – einem früheren französischen Mandatsgebiet – sind dem Staatschef im Elysée-Palast seit langem extrem wichtig. „Chirac, der Libanese“, so spottete bereits das linksliberale Pariser Magazin „Le Nouvel Observateur“: „Der Präsident ist heute in Beirut viel beliebter als an der Seine.“

Anders als bei der Front gegen den Irak-Krieg hat Chirac diesmal zwar keine deutsche Rückendeckung. Von „Betretenheit in Berlin“ ist in Pariser Blättern die Rede, weil Kanzlerin Angela Merkel weiterhin keine sofortige Waffenruhe wolle. Chirac hat die Schlagzahl trotzdem weiter erhöht und Douste-Blazy in Beirut mit dem iranischen Außenminister Manouchehr Mottaki reden lassen. Der französische Chefdiplomat hofierte dort den Iran als Land, „das anerkannt ist und eine wichtige Rolle der Stabilisierung in der Region spielt“. Und er tat dies trotz des Streits um das iranische Atomprogramm und die Schützenhilfe Teherans für die Hisbollah-Milizen. Chirac befürchte einen Angriff Bushs auf den Iran etwa nach den US-Zwischenwahlen im November, und das könnte die ganze Region in Brand setzen, meint das Pariser Blatt „Le Canard enchaôné“.

Auch von seiner Urlaubsburg und Sommerresidenz Fort Bréganñon an der Cûte d’Azur aus hält Chirac die diplomatischen Fäden in der Hand. Nach Premierminister Dominique de Villepin und mehreren Mitgliedern der Regierung entsendet er jetzt Gesundheitsminister Xavier Bertrand auf „humanitäre Hilfsmission“ in die libanesische Hauptstadt. Und was die Libanon-Truppen angeht, so wird auch Chirac kompromissbereit sein müssen. „Die Positionen nähern sich an“, heißt es bereits in Paris. Vielleicht reicht die Formel einer „Kampfpause“ aus, um die Truppe in Bewegung setzen zu können. In jedem Fall wollen die Franzosen dabei nicht als „Hiwis (Hilfswillige, Anm.) der Amerikaner erscheinen, die für die israelischen Generäle arbeiten.“ So bringt es ein Pariser Diplomat auf den Punkt.

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