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F: 870 Festnahmen bei Demo

Die Massenkundgebungen gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes in Frankreich haben am Dienstag einen neuen Höhepunkt erreicht.

In Frankreich wächst nach den bisher größten Protesten gegen die Reform des Kündigungsschutzes im Regierungslager die Kritik am harten Kurs von Premierminister Dominique de Villepin. Innenminister Nicolas Sarkozy forderte am Mittwoch einen „Kompromiss“ und „echte Verhandlungen ohne Vorbedingungen“ mit den Reformkritikern. Sarkozys Politikberater Patrick Devedjian sagte, 90 Prozent der regierenden UMP-Fraktion habe sich „für eine Aussetzung“ des Erstanstellungsvertrages (CPE) ausgesprochen. Präsident Jacques Chirac will sich in Kürze zu dem Streit äußern. Die Regierung zeigte sich wegen der am Rande der Demonstrationen immer stärker auftretenden Krawalle besorgt.

Sarkozy sagte der Zeitung „Le Parisien“ (Mittwochausgabe), einen Kompromiss zu schließen, sei „keine Schande“. Er plädierte anders als Villepin dafür, die Regelung zu überdenken, dass Unternehmen ohne Angaben von Gründen kündigen dürfen. Er betrachte es als normal, „dass es ein Minimum von Erklärungen gibt, wenn man sich von jemandem trennt“, sagte der Minister, der im kommenden Jahr für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren will. Anders als Devedjian versicherte Regierungssprecher Jean-Franñois Cope, die Mehrheit stehe vereint hinter Villepin und dem CPE.

Mit Spannung erwartet wurde die Entscheidung des Verfassungsrates über das Reformgesetz, das Mittel- und Großbetrieben die Möglichkeit gibt, bei jungen Arbeitnehmern in den ersten beiden Jahren Kündigungen ohne Grund auszusprechen. Dabei geht es um das Eilverfahren, mit dem Villepin das Gesetz durch das Parlament gebracht hatte. Erklärt der Verfassungsrat dieses für unzulässig, müsste es nochmals in die Nationalversammlung. Villepin, der die Rücknahme des Gesetzes ablehnt, bekäme dann die Möglichkeit, Änderungen vorzunehmen. Auch Staatschef Chirac könnte das Gesetz vor Inkrafttreten nochmals an das Parlament verweisen. Er ließ ankündigen, er wolle sich „in den nächsten Tagen“ zu dem Streit zu äußern.

Während begleitet von Streiks landesweit am Dienstag mindestens eine Million Menschen friedlich gegen den CPE demonstriert hatten, kam es vor allem in Paris erneut zu Gewalttaten. Dabei traten sowohl radikale Demonstranten wie auch offenbar aus den Vorstädten angereiste Randalierer auf. Laut Sarkozy wurden bei Ausschreitungen in der Hauptstadt rund 50 Menschen verletzt, darunter neun Polizisten.

Landesweit wurden rund tausend Menschen festgenommen, davon allein in Paris 629. 156 befanden sich am Mittwoch in der Hauptstadt weiter in Polizeigewahrsam. Laut Polizeipräfektur musste die Polizei in Paris 59 Mal eingreifen, um mögliche Opfer vor Gewalttätern zu schützen. Die Krawalle seien „nicht hinnehmbar“, sagte Sarkozy. „Ich mache mir große Sorgen, weil wir der Entfesselung der Gewalt durch 2000 bis 3000 Gauner beiwohnen, die zerstören und plündern wollen.“ Justizminister Pascal Clement rief die Staatsanwaltschaften zur Härte und der Verhängung von Gefängnisstrafen auf. Vielfach handle es sich um Wiederholungstäter.

Unterdessen gingen die Proteste gegen die Reform weiter. In mehreren Städten des Landes blockierten Studenten am Vormittag Verkehrswege. Im westfranzösischen Rennes bildeten sich deshalb Staus von dutzenden Kilometern Länge. Villepins Unnachgiebigkeit nährt in den Gewerkschaften die Streikbereitschaft. Die CGT rief für Donnerstag und Freitag zu Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst auf. Beim Radiosender RFI und bei Druckereien setzten die Beschäftigten am Mittwoch den am Vortag begonnenen Streik gegen Villepins Reform fort. Für Anfang April wird ein Generalstreik ins Auge gefasst.

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