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Experten erinnern an Notwendigkeit von Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Die Zahlen in Österreich lassen laut Biach aufhorchen.
Die Zahlen in Österreich lassen laut Biach aufhorchen. ©APA/HANS KLAUS TECHT
In Österreich leiden 20 Prozent der Unter-Zwanzigjährigen an psychischen Auffälligkeiten. Diese Tatsache lässt aufhorchen.

20 Prozent der 1,7 Millionen Unter-Zwanzigjährigen leidet an psychischen Auffälligkeiten - das entspricht 340.000 betroffenen Kindern und Jugendlichen. "Ein Blick auf diese Zahlen lässt uns hellhörig werden", unterstrich Alexander Biach, Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, am Donnerstag bei einem Pressegespräch aus Anlass des 6. Kinder- und Jugendgesundheitssymposiums in Wien.

Nur rund die Hälfte der Betroffenen nimmt Hilfe in Anspruch

Schließlich nehme nur etwa die Hälfte der von Angststörungen, Depressionen oder etwa Störungen des Sozialverhaltens Betroffenen das öffentliche Gesundheitssystem in Anspruch. Nach wie vor sind es Stigmatisierung und die damit verbundene hohe Hemmschwelle für Betroffene und ihre Angehörige, die viele davon abhalte, rechtzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen, zeigte sich Biach überzeugt.

Deshalb müsse ein Faktum im Bewusstsein der Gesellschaft verankert werden: "Eine psychische Erkrankung ist eine normale Erkrankung wie ein Beinbruch oder Kopfschmerzen. Das kann jedem passieren", so Leonhard Thun-Hohenstein, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Salzburg.

Jugendliche leiden besonders unter Stigmatisierung

Gerade Jugendliche würden oftmals besonders stark unter der Stigmatisierung psychischer Krankheiten leiden, weil sie sich in ihren Peer-Groups noch schwerer als mancher Erwachsene behaupten könnten, gab Brigitta Lienbacher als Leiterin des Rehabilitationszentrums Wildbad zu bedenken. Im Gegenzug sei es auch für Eltern oftmals ein Tabu, die entsprechende Erkrankung ihrer Kinder zu thematisieren, weshalb gerade hier die Ressourcen etwa durch Schulungen gestärkt werden müssten.

Es sei in den vergangenen Jahren viel geschehen, verwies Biach auf die 2011 veröffentlichte Kindergesundheitsstrategie. Mittlerweile gebe es österreichweit 31 niedergelassene Vertragsärzte und 27 Kinder- und Jugendpsychiater in zehn Ambulatorien. Auch bei den Rehaeinrichtungen sei man deutlich weitergekommen: Mittlerweile gebe es fünf derartige Institutionen, eine sechste in Tirol sei im Entstehen. "Wir haben in Wahrheit erst begonnen, aber es wurde vieles geschafft", so der Hauptverbandschef. Ein Beispiel hierfür ist ein Pilotprojekt, das der Hauptverband mit dem Verein "Die Möwe" initiiert hat. Hier hat man Acht- bis Zwölfjährige im Fokus, bei denen man nach einem traumatischen Erlebnis Kurzinterventionen setzt.

Auch Ausbildung müsse forciert werden

Weitere Baustellen neben dem verstärkten Fokus auf die Familienbetreuung sind der Wunsch nach Nachbetreuung von Kindern im häuslichen Umfeld als Kassenleistung oder das Recht auf Gesundheit für Kinder im Verfassungsrang als Wunsch an die neue Regierung, so Thun-Hohenstein. Auch die Ausbildung müsse forciert werden, unterstrich der Facharzt: 350 Kinder- und Jugendpsychiater würden in ganz Österreich benötigt. Momentan gäbe es jedoch nur 170 Fachärzte, weitere 60 Kollegen stünden derzeit in Ausbildung. Da sei die anstehende Pensionswelle noch gar nicht mitbedacht. Hier seien der Bund im Bereich der Medizinischen Universitäten und die Länder als Krankenhausträger gefordert.

Die wissenschaftliche Begleitung der bestehenden Strukturen ist eine weitere Forderung: "Die Forschungslandschaft in Österreich ist hier sehr karg ausgestattet", so der Bildungswissenschafter Wilfried Datler. Das erschwere die Evaluierung der verschiedenen Initiativen.

Nicht zuletzt sei eine entsprechende Struktur auch volkswirtschaftlich von Nutzen. Frühzeitige Diagnosen und zeitgerechte Therapieplätze würden nicht nur den Betroffenen ein humanes, menschenwürdiges Leben ermöglichen. Es beuge auch Folgekosten wie bei der Berufsunfähigkeit aufgrund psychischer Probleme in späteren Jahren vor. Laut einer US-Studie entspreche jeder hier investierte Dollar acht Dollar an ersparten Folgekosten. "Es lohnt sich, in diesem Bereich Geld in die Hand zu nehmen", sagte Thun-Hohenstein.

(APA/Red)

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