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Experte kritisiert "Opfer-Diskurs" im Kindergarten

Das Image sei schlechter als der Beruf.
Das Image sei schlechter als der Beruf. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Elementarpädagogik-Experte Bernhard Koch kritisiert den aktuellen "Opfer-Diskurs" über Kindergärten. es würde sich nicht um eine realistische Darstellung der Arbeit handeln.

Bernhard Koch, Elementarpädagogik-Experte an der Pädagogischen Hochschule (PH) Tirol, fordert eine realistische Darstellung der Arbeit in Kindergärten. Derzeit gebe es nämlich einen "Opfer-Diskurs" etwa beim Gehalt, der fähige und leistungswillige Menschen davon abhalten könnte, den Beruf zu ergreifen, warnt er gegenüber der APA. Beim Netzwerk Elementare Bildung (NeBÖ), das sich für Verbesserungen in den Kindergärten einsetzt, kann man diese Kritik nicht nachvollziehen.

Experte: Beruf sei besser als sein Image - auch das Gehalt

"Der Beruf ist besser als sein Image in den Medien", ist Koch überzeugt. Zwar bekomme Elementarpädagogik unbestritten im Vergleich zur Schulpädagogik weniger Wertschätzung. Das Gehalt werde aber bisweilen schlechter eingeschätzt, als es tatsächlich ist. Anstelle der "manchmal geringen" Einstiegsgehälter solle man die Gehälter im gesamten Lebensverlauf bewerten. Da komme man als gruppenführende Pädagogin nach zehn Dienstjahren in Vorarlberg etwa auf 3.500 Euro brutto, in den höchsten Gehaltsstufen erhalten Fachkräfte je nach Bundesland 3.500 bis 4.200 Euro brutto.

Es sollte nicht passieren, dass sich fähige und leistungswillige Menschen durch unrealistische Images von einer Arbeit in Krippe und Kindergarten abhalten lassen, so Koch. Er plädiert für eine realistische Darstellung der Stärken des Berufs wie flexible Arbeitszeiten, Krisensicherheit, Arbeitgeber in fast jeder Gemeinde, hohe Berufszufriedenheit und das Bewusstsein, einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung der Kinder und für die Gesellschaft zu leisten.

NEBÖ: Beruf habe kein Image-Problem

Aus Sicht von NEBÖ-Sprecherin Natascha Taslimi hat der Beruf allerdings ohnehin kein Image-Problem: Sowohl in den Kollegs als auch beim neuen Hochschullehrgang Elementarpädagogik für Quereinsteiger gebe es viele Bewerbungen. Bei der fünfjährigen Schulform an den Bundesbildungsanstalten für Elementarpädagogik (Bafep) würden Schülerinnen und Schüler teils lange Anfahrt in Kauf nehmen oder im Internat wohnen, um diese Ausbildung machen zu können. Kinder in einem Alter in ihrer Entwicklung zu begleiten, in dem sie so schnell und so viel wie nie wieder im Leben lernen, sei eine sehr schöne Aufgabe. "Das ist der Reiz für viele, die sich für diesen Beruf entscheiden", betont Taslimi gegenüber der APA.

Taslimi ortet andere Gründe für Personalmangel

Dass es dennoch Personalmangel gibt, hat laut Taslimi andere Gründe: Viele Absolventinnen der Bafep-Langform seien davon überfordert, mit 19 Verantwortung für 25 Kinder zu übernehmen, Elterngespräche zu führen oder das Bildungsgeschehen in der Gruppe zu planen und zu reflektieren. In der Steiermark würden viele ausgebildete Elementarpädagoginnen extra als Betreuerinnen arbeiten, weil man dabei weniger Verantwortung trage, so Taslimi. Unter den Kolleg-Absolventinnen und -Absolventen, die sich erst im Erwachsenenalter für die Ausbildung entscheiden, gingen 90 Prozent in den Beruf. Rund ein Drittel höre aber wegen der frustrierenden Rahmenbedingungen nach vier, fünf Jahren wieder auf.

Die zu großen Gruppen würden es schwer machen, auf die Bedürfnisse der Kinder angemessen einzugehen, es mangle an Zeit für Vorbereitung der Bildungsarbeit, Elterngespräche und den Austausch etwa mit Logopäden oder Volksschullehrern, nennt Taslimi Beispiele. Dazu kommen je nach Land unterschiedliche Rahmenbedingungen und eine Geringschätzung des Berufs, weil das Verständnis für frühkindliche Bildung fehlt, beklagt sie. Genau auf diese Mängel würden Initiativen und Netzwerke wie NEBÖ aufmerksam machen. Das Gehalt sorge interessanterweise ohnehin für wenig für Aufregung - auch wenn es den Aufgaben und der Verantwortung der Pädagoginnen nicht angemessen sei und zumindest an jenes an den Volksschulen angeglichen werden solle, so Taslimi. Denn: "Dass in den Bundesländern unterschiedliche Gehälter gezahlt werden, ist in einem Staat nicht nachvollziehbar."

(APA/Red)

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