Der 64-Jährige sei Samstag früh tot auf dem Bett in seiner Zelle im Gefangenentrakt des UNO-Tribunals in Den Haag aufgefunden worden, teilte das Gericht mit. Hinweise auf Selbstmord gebe es derzeit nicht. Seinem Anwalt zufolge hatten den Angeklagten aber Ängste geplagt, im Gefängnis vergiftet zu werden. Eine Autopsie und eine toxikologische Untersuchung seien angeordnet worden, teilte das Tribunal mit. Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy sagte bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Salzburg, Milosevic sei eines natürlichen Todes gestorben. Der Ex-Präsident litt seit langem unter Herzproblemen und hohem Blutdruck.
Milosevic wurde seit 2002 der Prozess vor dem Tribunal der Vereinten Nationen gemacht. Mit einem Urteil war noch in diesem Jahr gerechnet worden. Milosevic musste sich in 66 Anklagepunkten wegen Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Bosnien, Kroatien und im Kosovo während der 90er Jahre verantworten. So wurde ihm etwa eine Verwicklung in die Belagerung von Sarajevo während des Bosnien-Kriegs von 1992 bis 1995 sowie in das Massaker von Srebrenica zur Last gelegt.
Die Chefanklägerin des Tribunals, Carla del Ponte, sagte, durch seinen Tod sei Milosevic zwar seiner gerechten Strafe entgangen. Zugleich forderte sie, dass noch flüchtige Angeklagte dem Gericht überstellt werden müssten. Sie nannte dabei insbesondere den als Kriegsverbrecher gesuchten früheren Chef der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und seinen damaligen Militärkomandeur Ratko Mladic.
Der Anwalt Milosevics schloss aus, dass dieser Selbstmord begangen haben könnte. Er hat mir noch vor einigen Wochen gesagt, Ich habe diesen Kampf jetzt schon so lange gekämpft und habe daher nicht die Absicht, mir etwas anzutun, zitierte der Verteidiger Steven Kay den Ex-Präsidenten. Beide Eltern Milosevics hatten sich das Leben genommen. Anfang März hatte der als Kriegsverbrecher verurteilte frühere Anführer der kroatischen Serben, Milan Babic, in UN-Haft in Den Haag Selbstmord begangen.
Der ausgebildete Anwalt Milosevic bestand darauf, seine Verteidigung selbst in die Hand zu nehmen und warf dem Gericht, das er nicht anerkannte, Siegerjustiz vor. Milosevic hatte bis zu seinem Sturz im Oktober 2000 Jugoslawien mit harter Hand regiert. Er erwarb sich dabei den Ruf eines gewissenlosen Staatschefs, der stets die Mittel des Krieges und des Nationalismus für seinen Machterhalt einzusetzen wusste. Im Juni 2001 wurde er nach Den Haag überstellt.
Wegen gesundheitlicher Probleme Milosevics musste das Verfahren mehrmals unterbrochen werden. Zuletzt hatte er darauf gedrungen, zur medizinischen Behandlung nach Moskau ausreisen zu dürfen, weil sich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechtert habe. Das UN-Tribunal lehnte dies im vergangenen Monat jedoch ab. Ebenso wurde nach seine Tod nun der Antrag seines Verteidigers abgewiesen, seine Leiche in Moskau obduzieren zu lassen. In Russland lebt Milosevics Bruder Bronislav, auch seine Frau und sein Sohn werden dort vermutet. Borislav Milosevic machte laut der Nachrichtenagentur Interfax das UN-Tribunal für den Tod des Angeklagten verantwortlich. Auch Milosevics Witwe Mira Markovic erklärte gegenüber CNN: Das Tribunal hat meinen Mann getötet.
Die Sprecherin der UNO-Chefanklägerin, Florence Hartmann, wies alle Spekulationen über eine eventuelle Vergiftung Milosevics als völlig absurd zurück. Auch der Gerichtssprecher sagte, das Haager Tribunal habe sich nichts vorzuwerfen. Nach seinen Angaben werden voraussichtlich auch serbische Ärzte an Milosevics Untersuchung teilnehmen. Milosevics Anwalt sagte, auch russische Ärzte würden der Obduktion beiwohnen. Er habe nach Rücksprache mit Milosevics Familie beantragt, dass die Autopsie in Moskau vorgenommen werde, was aber abgelehnt worden sei. Dessen Leiche wurde laut der niederländischen Nachrichtenagentur ANP am Abend in das staatliche gerichtsmedizinische Institut in Den Haag verlegt. Der serbische Ministerpräsident Vojislav Kostunica sagte der Nachrichtenagentur Beta, seine Regierung werde beim UN-Kriegsverbrechertribunal einen ausführlichen Bericht über das tragische Ereignis anfordern.