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Ex-Agent auf Intensivstation

Der ehemalige russische Geheimagent Alexander Litwinenko ringt nach einem mutmaßlichen Giftanschlag in London weiterhin um sein Leben. Russland bestreitet eine Verwicklung in den Fall.

Der 43-jährige wurde am Montag in einer Londoner Universitätsklinik auf die Intensivstation verlegt. Nach Angaben der Ärzte hat sich sein Zustand verschlechtert. Der ehemalige Offizier des russischen Geheimdienstes FSB wurde vermutlich Anfang November bei Recherchen über die Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja vergiftet. In die Ermittlungen hat sich auch Scotland Yard eingeschaltet.

Das University College Hospital, wo Litwinenko unter strenger Bewachung behandelt wird, bezeichnete seinen Zustand als „ernst“. Wegen einer „geringfügigen Verschlechterung“ sei der Ex-Agent in der Nacht vorsichtshalber auf die Intensivstation gebracht worden, teilte der Arzt Stephen Rowley mit. Litwinenko war vermutlich mit Thallium vergiftet worden. Litwinenko sei ernstlich erkrankt und ohne Zweifel mit dem auch als Rattengift bekannten Stoff vergiftet worden, sagte der klinische Toxikologe John Henry der BBC. Es reiche ein Gramm des geschmack-, farb- und geruchlosen Giftes, um einen Menschen zu töten. Ärzten zufolge stehen die Überlebenschancen des Exil-Russen bei 50 zu 50.

Litwinenko lebt zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn seit 2000 in London im Exil. Seit kurzem hat er auch auch die britische Staatsbürgerschaft.©Der ehemalige FSB-Offizier hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Vorwürfe gegen seinen einstigen Arbeitgeber und dessen früheren Chef, den heutigen Präsidenten Wladimir Putin, erhoben. Aus seiner Umgebung wurden Verdächtigungen laut, der mutmaßliche©Anschlag gehe ebenfalls auf das Konto des russischen Geheimdienstes. Auch der Sicherheits-Experte Pawel Felgengauer sagte der dpa in© Moskau: „Der FSB©könnte es gewesen sein. Das sind die einzigen, die ein Motiv hatten.“©Der Geheimdienst betrachte Litwinenko als Verräter.

Russland bestritt jedoch jede Verwicklung in den Vergiftungsfall. Die Vorwürfe seien „purer Unsinn“ und müssten nicht kommentiert werden, sagte der stellvertretende Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau. Ein Sprecher der russischen Botschaft in London führte Litwinenkos Erkrankung auf einen Unfall zurück. Seine Vertretung habe damit nichts zu tun. „Reden Sie mit der Londoner Polizei und warten Sie das Ende der Ermittlungen ab.“

Scotland Yard bestätigte, dass wegen des Verdachts eines Giftanschlags ermittelt werde. Litwinenko war nach eigener Aussage am 1. November nach einem Treffen mit einem Informanten erkrankt. Der Ex-Agent hatte sich in einem japanischen Restaurant mit dem italienischen Geheimdienst-Experten Mario Scaramella getroffen, der ihm neue Dokumente zu dem Mord an Politkowskaja in Aussicht gestellt haben soll. Zuvor soll er nach Informationen der „Times“ (Montag) Kontakt zu einem Russen gehabt haben. Wenige Stunden später bekam er große Schmerzen und musste in die Klinik.

Freunden zufolge sieht er derzeit aus „wie ein Geist“: Er sei völlig abgemagert und die Haare seien ausgefallen. Nach Angaben seiner Familie braucht er vermutlich eine Knochenmark-Transplantation. Nach Informationen der „Sunday Times“ erlitt Litwinenko Schäden an Nieren und Knochenmark. Er müsse sich häufig übergeben. Der Sender Sky News berichtete, der Ex-Spion habe einen völligen Zusammenbruch des zentralen Nervensystems erlitten.

Litwinenko war nach Informationen der „Sun“ schon einmal Ziel eines Mordanschlages. Dabei sei ein mit Molotowcocktails gefüllter Kinderwagen die Straße entlanggestoßen worden, in welcher der frühere FSB-Offizier in London wohnt, berichtete das Boulevardblatt am Montag. Unmittelbar vor der Tür Litwinenkos sei der Sprengstoff explodiert. Der Ex-Geheimdienstagent sei dabei aber nicht verletzt worden und mit dem Schrecken davongekommen.

Litwinenkos Vergiftung erinnert an den Anschlag auf den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, der 2004 als Präsidentschaftskandidat bei einem Essen mit führenden Geheimdienstmitarbeitern erkrankte. Nach Angaben von Ärzten wurde er mit Dioxin vergiftet. Er wurde in Wien behandelt. 1978 war der bulgarische Dissident Georgi Markow in London mit einem vergifteten Regenschirm ermordet worden. Politkowskaja wurde am 7. Oktober in Moskau ermordet. Sie schrieb unter anderem über Menschenrechtsverstöße russischer Sicherheitskräfte in Tschetschenien.

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