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EU/Türkei: Verhandlungsziel umstritten

Die Länder der Europäischen Union verhandeln weiter zäh um die Bedingungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Nach Beratungen der EU-Botschafter hat der niederländische EU-Vorsitz einen zweiten Entwurf für den EU-Gipfel am 17. Dezember vorgelegt. Die Bedingungen wurden verschärft, die Passage über das Verhandlungsziel blieb offen.

Zehn Länder, (Österreich, Frankreich, Irland, Ungarn, Dänemark, Slowakei, Zypern, Luxemburg, Litauen und Schweden) hätten sich „offene“ Verhandlungen gewünscht, geht aus dem Protokoll der vergangenen Botschaftersitzung hervor, das auf einer türkischen Webseite veröffentlicht wurde. Frankreich habe, mit Unterstützung Österreichs, zwar keine Alternative zum Beitritt gefordert, wohl aber die ausdrückliche Erwähnung, dass ein Scheitern möglich sei. Die anderen EU-Staaten hätten dies aber als Selbstverständlichkeit abgelehnt.

Besonders viel Kritik am ersten Entwurf hätten Frankreich, Österreich, Griechenland und Zypern geübt, heißt es in dem Protokoll. Zypern will vor allem sicherstellen, dass es von der Türkei als Staat anerkannt wird, was bisher nicht der Fall ist. Griechenland will eine Absicherung, dass der Streit über Inseln in der Ägäis vor dem Internationalen Gerichtshof ausgetragen wird.

Österreich, Frankreich, Irland und Ungarn hätten bezweifelt, dass ein einheitlicher Verhandlungsrahmen für die Türkei und Kroatien sinnvoll sei. Eine Differenzierung wurde aber vom Vorsitz als Diskriminierung abgelehnt.

Neu ist im nun vorliegenden zweiten Gipfelentwurf, der am morgigen Mittwoch von den EU-Botschaftern beraten wird, ein Absatz, in dem ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass auch die Fähigkeit der Union neue Mitglieder aufzunehmen, ohne die Weiterentwicklung der Union zu gefährden eine Rolle spielt. Damit kommt der Entwurf offenbar einem Wunsch Österreichs entgegen.

Neu ist auch ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Türkei den Schutz der Grundfreiheiten und Menschenrechte „irreversibel“ verwirklichen und sechs spezifische Gesetze umsetzen muss. Die EU-Kommission werde Fortschritte in diesem Bereich genau überwachen. Auch das war insbesondere von Frankreich und Österreich gefordert worden.

„Lange Übergangsfristen, Ausnahmen, spezifische Abmachungen oder dauerhafte Schutzklauseln können überlegt werden“, heißt es in dem Entwurf weiter. Als mögliche Themen dafür werden freier Personenverkehr, Struktur- und Agrarpolitik genannt. Außerdem sollen Entscheidungen über die Personenfreizügigkeit den einzelnen EU-Staaten maximale individuelle Freiheiten erlauben. Bei Übergangsfristen oder Schutzklauseln solle auf die Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit oder das Funktionieren des Binnenmarktes Rücksicht genommen werden.

Mehrfach wird nun betont, dass alle Entscheidungen über die Verhandlungen einstimmig getroffen werden. Einzige Ausnahme: Die Mitgliedsländer können mit qualifizierter Mehrheit beschließen, die Verhandlungen auszusetzen.

Für das Abschließen von Kapiteln aber auch in einzelnen Fällen für das Eröffnen von Verhandlungskapiteln sollen Benchmarks eingeführt werden. Dabei könne es um Gesetze, Umsetzung von EU-Recht oder auch Verpflichtungen gegenüber den Mitgliedsländern gehen.

Wie schon im ersten Entwurf wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Türkei erst beitreten kann, wenn der Finanzrahmen für die Zeit nach 2014 beschlossen ist.

Deutsch-französische Initiative zur Türkei-Frage im EU-Parlament

Mit einer gemeinsamen Initiative wollen konservative deutsche und französische Abgeordnete im Europaparlament ein Votum zugunsten des Beitritts der Türkei verhindern. Wie die CDU-Abgeordneten Armin Laschet und Werner Langen am Dienstag mitteilten, haben sich die deutschen Christdemokraten im Europaparlament darauf mit ihren 26 Kollegen von der französischen Regierungspartei UMP geeinigt.

Den Angaben zufolge wollen die Abgeordneten von CDU/CSU und UMP bei der kommende Woche geplanten Abstimmung mehrere Änderungsanträge gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei einbringen. Zugleich plädierten sie für eine „privilegierte Partnerschaft“ mit der Türkei.

Das Europaparlament soll am Dienstag über einen Entschließungsantrag des außenpolitischen Ausschusses zur Türkei-Mitgliedschaft abstimmen. Darin empfiehlt der Ausschuss zwar die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ankara „ohne unnötige Verzögerung“, betont aber, diese müssten „offen“ bleiben und dürften nicht automatisch zur Aufnahme des Landes führen. Der Erfolg der Verhandlungen werde von den weiteren Reformen in der Türkei und den „Anstrengungen beider Seiten“ abhängen, heißt es in dem Text. Im Ausschuss hatten 50 Abgeordnete für diese Empfehlung gestimmt, 18 waren dagegen und sechs enthielten sich.

Auch die EU-Kommission hat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfohlen. Die endgültige Entscheidung liegt bei den Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Staaten, die darüber bei ihrem Gipfeltreffen am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel beraten werden. Sie müssen beschließen, ob Beitrittsverhandlungen begonnen werden und zu welchem Zeitpunkt.

Türkische Opposition: Verhandlungen mit EU nur mit Beitrittsziel

Bei der Forderung nach EU-Beitrittsverhandlungen mit der alleinigen Perspektive einer Vollmitgliedschaft ziehen Regierung und Opposition in der Türkei an einem Strang. Jeder andere Vorschlag komme für die Türkei nicht in Frage, sagte der sozialdemokratische Oppositionsführer Deniz Baykal von der CHP am Dienstag in Ankara. Falls beim EU-Gipfeltreffen am 17. Dezember anders entschieden werde, müsse die Türkei „Nein, danke!“ sagen.

„Niemand kann garantieren, dass jede Verlobung mit einer Heirat enden wird“, sagte Baykal. „Aber dies gleich zu Beginn zu sagen … ist geschmacklos.“ Die Türkei habe großen Respekt vor Europa, werde es aber niemals hinnehmen, „Europas Zweitfrau“ zu werden. Die CHP ist die einzige Partei, die neben der regierenden gemäßigt islamischen AKP im Parlament sitzt.

Auch AKP- und Regierungschef Recep Tayypip Erdogan bekräftigte nach einem Treffen mit Baykal, dass Verhandlungen, die nicht auf einen Beitritt abzielten, für die Türkei „indiskutabel“ seien. Unabhängig vom Ausgang des EU-Gipfels werde seine Regierung jedoch den Weg der Reformen wie bisher fortsetzen.

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