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Europaweit kaum Handhabe gegen Hakenkreuz

Weinflaschen mit Hitler-Etikett und Fußballer, die den Faschistengruß zeigen, könnten auch künftig in Europa erschreckender Alltag sein. Denn gegen ein EU-weites Verbot von Nazi-Symbolen gibt es erbitterten Widerstand.

Beim Rat der Justiz- und Innenminister am Donnerstag will sich die deutsche Regierung dennoch für einen europaweiten Bann stark machen. Scheitern könnte die Initiative am Widerstand von Italien und Großbritannien: Beide Staaten pochen auf die Meinungsfreiheit.

Dabei hatte ausgerechnet ein Auftritt des britischen Prinzen Harry die Diskussion ins Rollen gebracht. Kurz vor dem 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau erschien der 20-Jährige auf einer Party im Nazi-Kostüm mit Hakenkreuz-Armbinde. Deutsche Europaparlamentarier forderten daraufhin ein EU-weites Verbot von Symbolen der Nazi-Diktatur. Bisher gibt es ein solches Verbot nur in Deutschland und Österreich.

Während sich Harry in England hinter einer Entschuldigung und den dicken Mauern von Schloss Windsor verstecken kann, würden ihm in Deutschland bis zu drei Jahre Haft drohen. Paragraf 86a des Strafgesetzbuches verbietet das öffentliche Zeigen von Hakenkreuzen in jeder Form. Auch der Hitlergruß, Bilder Adolf Hitlers oder SS-Runen sind verboten. Ausnahmen gelten für historische Dokumentationen oder Lehrmaterial für den Geschichtsunterricht.

Deutlich laxer sind die Regeln in anderen EU-Staaten, wie nicht nur das Beispiel Großbritannien zeigt. Völlig unbehelligt von der Justiz vertreibt etwa ein norditalienischer Winzer Wein mit Bildern von „Nazigrößen“ wie Hitler oder SS-Chef Heinrich Himmler und Aufschriften wie „Sieg Heil“ auf dem Etikett. Und der Torjäger von Lazio Rom, Paolo Di Canio, konnte Anfang Jänner bei einem Spiel gegen den Erzrivalen AS Roma den Faschistengruß zeigen – und straffrei ausgehen. Auch in Skandinavien ist fast alles erlaubt. Die Meinungsfreiheit hat Vorrang.

Nicht nur die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) macht sich für ein EU-weites Verbot von Nazi-Symbolen stark. Auch die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch Mehrin regen solche Fälle auf: „Immerhin geht es um ein Regime, das systematisch Millionen von Menschen ermordet hat“, sagt sie.

Rückendeckung bekommen die deutschen Politiker vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Er begrüßt ein europaweites Verbot. Allerdings reiche ein EU-Gesetz nach deutschem Modell nicht aus, betont Vizepräsidentin Charlotte Knobloch. Für nötig hält sie einen gesellschaftlichen Konsens zur Ächtung von Nazi-Symbolen. Und um den sei es selbst in Deutschland schlecht bestellt, wie die jüngste Diskussion um das NPD-Verbot zeige.

Von Konsens kann auch in Europa keine Rede sein: Angesichts des Widerstands von Briten und Italienern gilt es in Brüssel als unwahrscheinlich, dass sich die EU-Staaten am Donnerstag beim Justizrat auf ein Verbot einigen werden. Das liegt auch an der schwammigen Formulierung des Gesetzesvorschlags. Denn was genau ein Symbol ist, das „zu Hass und Gewalt aufstachelt“, lässt sich nur schwer definieren. Osteuropäische Politiker haben bereits gefordert, neben dem Hakenkreuz auch Hammer und Sichel als Zeichen der Sowjetunion zu verbannen.

Auch EU-Justizkommissar Franco Frattini hält ein europaweites Gesetz für unklug. Er hofft, dass die Mitgliedstaaten in eigener Regie gegen rechte Symbole vorgehen. Damit könnte auch weiterhin gelten, was ein Brüsseler Diplomat spöttisch formuliert: „Wenn einer aus Deutschland Hakenkreuz oder Stechschritt sehen will, muss er eben nach England gehen.“

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