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Symbolbild ©Robin van Lonkhuijsen / ANP / AFP

Europas Drogenmarkt: Das meiste Geld wird mit Cannabis gemacht

39 Prozent der jährlich 30 Milliarden Euro entfallen auf Cannabis, 31 Prozent auf Kokain und 25 Prozent auf Heroin.
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Europas Drogenmarkt macht jährlich derzeit rund 30 Milliarden Euro aus. Weltweit waren es 2014 zwischen 426 und 652 Milliarden US-Dollar. Dies geht aus dem EU-Drogenmarkt-Bericht 2019 von Europäischer Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) und Europol hervor. Die Konsequenzen durch organisiertes Verbrechen und den Drogenmarkt als Finanzinstrument für Terroristen sind groß.

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Der Bericht wurde am Dienstag in Brüssel präsentiert. Für diese Erhebungen steuern EMCDDA und Europol seit einigen Jahren regelmäßig ihre Daten bei. Die wichtigsten Informationen aus Europa: Vom Gesamtmarkt für illegale Drogen (30 Mrd. Euro/Endverbraucherpreis) entfallen 39 Prozent auf Cannabis (11,6 Mrd. Euro), 31 Prozent auf Kokain (9,1 Mrd. Euro) und 25 Prozent auf Heroin (7,4 Mrd. Euro). Amphetamin (drei Prozent/eine Milliarde Euro) und Ecstasy/MDMA (zwei Prozent/500 Millionen Euro) rangieren unter "ferner liefen".

Der Drogenmarkt ist regional und international in einem ständigen Wandel begriffen. Das spielt sich bei allen illegalen Suchtgiften ab. Weltweit dürften vergangenes Jahr 181 Millionen Menschen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren Cannabis bzw. Cannabis-Produkte konsumiert haben, in Europa waren es 24,7 Millionen, davon 17,5 Millionen 15- bis 34-Jährige, heißt es in dem Report.

Cannabis dominiert den Markt

"Der Bericht veranschaulicht, dass Cannabiskraut und -Harz zwar nach wie vor den Markt dominieren, Cannabisprodukte in Europa jedoch immer vielfältiger werden. Hochwirksame Extrakte, auf Cannabis basierende medizinische und gesundheitsorientierte Produkte sowie immer mehr Cannabidiol (CBD) oder Produkte mit niedrigem THC-Gehalt werden in verschiedenen Formen verkauft. Daher müssen ihre Wirksamkeit und ihre potenziellen gesundheitlichen Auswirkungen genau überwacht werden", schreiben die Autoren.

Die Trends in der Szene

Zwei Beispiele verdeutlichen die Trends: Eine EMCDDA-Studie zeigte, dass der THC-Gehalt von Cannabis in Europa sich zwischen 2007 und 2017 von fünf auf zehn Prozent verdoppelt hat, beim Cannabisharz von mindestens acht auf 18 Prozent. Die Extraktion von THC zum Beispiel unter Verwendung von Butangas bringt "Butan-Haschisch-Öl" mit 70 bis 80 Prozent THC. Kristallines THC hat einen Reinheitsgrad von 99 Prozent.

Kokain wurde im vergangenen Jahr weltweit von 18,1 Millionen Menschen benutzt (15 bis 64 Jahre alt), in ​Europa gab es vier Millionen Konsumenten (2,6 Millionen davon im Alter von 15 bis 34 Jahren). "Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der (untersuchten; Anm.) Proben stammten aus Kolumbien (...). Fast ein Fünftel (19 Prozent) aller Proben kamen aus Peru (...)", stellen die Autoren des Berichts fest.

Kokainschmuggel via Containerschiffe

Kokainkonsum ist in West- und Südeuropa am verbreitetsten. Der Schmuggel läuft vor allem über die Containerschifffahrt. "Die Rekordproduktion in Lateinamerika hat den illegalen Handel in die EU verstärkt", so die Experten. Eine neue Entwicklung: "Die Präsenz europäisch organisierter krimineller Gruppen in Lateinamerika ermöglicht eine End-to-End-Steuerung der Lieferkette." Europäische Mafia & Co. wollen alle Margen des Kokainschmuggels nach Europa beherrschen.

Förderung von Terrorismus und Menschenhandel

Die Involvierung von organisierter Kriminalität und letztlich auch von Terrorgruppen stellt eine Gefahr dar, die (politisch) weit über die Bedeutung gesundheitlicher Risiken für die Drogenkonsumenten selbst hinausreicht. EMCDDA und Europol listen hier auf: Terrorismus, Menschenhandel und Schlepperei, Bandenkriminalität und Mordserien, Geldwäsche und Korruption werden durch den Drogenmarkt gefördert bzw. finanziert.

Eine in dem Report zitierte Studie aus 2018 listet für die bekanntesten Terrorgruppen in Afrika (Boko Haram/al-Shaabab etc.), Kolumbien (FARC) und in arabischen Ländern (IS etc.) Drogeneinkünfte von rund 300​ Millionen Euro im Jahr auf (28 Prozent aller Einkünfte). An zweiter Stelle der Finanzierungsquellen kommen dann erst Erdöl und Erdgas (207 Millionen Euro). Viele Terrorattentäter in Europa seien auch Drogendealer gewesen. In Haft wegen solcher Delikte hätten sich einige von ihnen erst radikalisiert.

"H"

Gesundheitlich gefährlich für Abhängige mit problematischem Konsum vor allem durch das Injizieren von Suchtgift ist Heroin. Weltweit wird "H" in einem Jahr von 34,3 Millionen Menschen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren benutzt, davon entfallen auf Europa 1,3 Millionen Personen.

Der jahrzehntelange Krieg am Hindukusch hat weiterhin seine Konsequenzen. "Afghanistan ist seit 20 Jahren der größte Opiumproduzent der Welt. 2017 gab es in Afghanistan mit 328.000 Hektar Mohn-Anbaufläche einen Rekord. Das bedeutete einen Anteil von 78 Prozent am weltweiten Anbau auf 414.500 Hektar", ist im Drogenmarktbericht von EMCDDA und Europol zu lesen. Die Türkei und die Balkanroute seien noch immer die Haupttransportrouten Richtung Europa, doch es gebe Anzeichen einer neuen Route von Süden her über den Suezkanal.

Hoch wirksame (synthetische) Opioide "stellen ein steigendes Gesundheitsrisiko dar", heißt es in dem Report. Während in Europa Fentanyl-Schmerzmittel aus der Medizin wegen der strengen Verschreibungsregeln kaum Probleme verursachen, sind regional - vor allem im Baltikum und in Skandinavien - Fentanyle aus Russland und vor allem aus China aufgetaucht. Das Darknet und Online-Plattformen spielen hier eine wichtige Rolle.

Amphetamine

Amphetamin, MDMA (Ecstasy) und Methamphetamin haben vergangenes Jahr weltweit 28,9 Millionen Menschen benutzt (15 bis 64 Jahre). In Europa gab es 1,7 Millionen Amphetaminkonsumenten (1,25 Millionen zwischen 15 und 34 Jahre alt), 2,6 Millionen Personen (davon 2,06 Millionen junge Erwachsene) benutzen Ecstasy/MDMA. "Amphetamin, MDMA und Methamphetamin, die in der EU konsumiert werden, werden fast ausschließlich in Europa produziert (...)", heißt es in dem Report. Für Ecstasy gibt es in den Niederlanden strukturiert aufgebaute Produktions- und Versorgungsketten.

Zwischen 2015 und 2017 wurden in Europa 355 "Amphetamin-Küchen" etc. entdeckt. 225 davon waren in den Niederlanden situiert, 50 in Belgien und 32 in Polen. Auch die europäische Ecstasy-Produktion konzentriert sich auf die Niederlande und Belgien. "Im​ Mai 2019 wurde ein illegales Methamphetamin-Labor auf einem 85 Meter langen und in Deutschland registrierten Frachtschiff ausgehoben, das in Mordiijk in den Niederlanden ankerte", schreiben die Autoren des Berichts. An Bord wurden 300 Liter Methamphetamin-Öl beschlagnahmt. Der 65-jährige niederländische Kapitän des Schiffs und drei Mexikaner als Gehilfen kamen in Haft.

Alexis Goosdeel, Direktor der EMCDDA in Lissabon, erklärte anlässlich der Präsentation des Reports: "Dieser Bericht ist ein klarer Weckruf für politische Entscheidungsträger, sich mit dem rasch wachsenden Drogenmarkt zu befassen, der immer globaler, vernetzter und digitaler wird."

Catherine de Bolle, Exekutivdirektorin von Europol, ergänzte: "Europol beobachtet einen deutlichen Anstieg der Aktivitäten im Bereich des illegalen Handels, sowohl in unserer operativen Arbeit als auch auf der Grundlage der Daten, die wir von den EU-Mitgliedsstaaten erhalten." Darauf müsse die Strafverfolgung reagieren. Massiver Drogenkonsum von Menschen ist allerdings vor allem ein chronisches Gesundheitsproblem.

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(APA)

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