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Europäer über Afghanistan-Strategie erleichtert

Die Erleichterung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Als die 27 EU-Außenminister das Schloss Hluboká nad Vltavou (Frauenberg) in Böhmen verließen, wussten sie, dass wegen ihres Engagements in Afghanistan kein Streit mehr mit den USA droht. Die neue Afghanistan-Strategie von Barack Obama passt bestens zu den Wünschen der Europäer nach einer stärkeren Betonung des zivilen Wiederaufbaus.

Nach fast acht Jahren, in denen die meisten europäischen NATO-Verbündeten von Ex-Präsident Bush beharrlich um mehr Soldaten gebeten wurden, war vom Vorwurf mangelnder Opferbereitschaft nichts mehr zu hören.

In der NATO-Zentrale in Brüssel analysierten Fachleute und Diplomaten die Afghanistan-Rede Obamas. Lange schon war darüber geredet worden, Überraschungen oder dramatische politische Zeitenwenden blieben aus. “Vor allem der Ton hat sich geändert”, sagte ein NATO-Diplomat. Stärker denn je zuvor betont Obama nun die Bedeutung des zivilen Wiederaufbaus, der besseren Koordinierung mit dem militärischen Kampf gegen die radikal-islamischen Taliban und die Verantwortung der afghanischen Regierung für die Bekämpfung von Korruption und Drogenanbau. Wirklich neu ist das alles nicht, doch soll dies nun wirklich Grundlage der US-Politik werden.

Auch im Schloss mit Blick auf die Bierstadt Budweis hielt sich die Überraschung der Außenminister in engen Grenzen. “Wir haben darauf gewartet und wir sind sehr erfreut über das, was Obama uns dazu zu sagen hat”, formulierte der deutsche Außenminister Steinmeier. Obama hatte gesagt, was nach einer ganzen Reihe von Äußerungen seiner engsten Vertrauten – angefangen bei Vizepräsident Joe Biden auf der Internationalen Sicherheitskonferenz in München – zu erwarten gewesen war. Vor dem NATO-Gipfel am 3./4. April in Baden-Baden und Straßburg war es auch ein Angebot Washingtons an die Verbündeten, das alte Zerrbild von zupackenden US-Politikern und zögerlichen Bedenkenträgern in Europa endgültig zu den Akten zu legen.

Die neue Strategie habe sich “ja doch den europäischen Vorstellungen des Einsatzes dort in Afghanistan sehr angenähert”, befand Steinmeier sichtlich zufrieden. Er verwies darauf, Obama fordere keine zusätzlichen Soldaten. Und auch seinem britischen Amtskollegen David Miliband war die Feststellung wichtig: “Großbritannien ist von den USA nicht gebeten worden, mehr Soldaten zu stellen.”

Zwar geht der Kampf gegen die Taliban weiter. Mittlerweile ist die von der NATO geführte Schutztruppe ISAF auf etwa 62.000 Soldaten angewachsen – Deutschland ist mit rund 3600 Soldaten dabei der drittgrößte Truppensteller. Aber künftig wird noch mehr als bisher die Rede vom zivilen Wiederaufbau sein: Dabei spielt die Ausbildung der Polizei eine entscheidende Rolle. Ohne Polizei, die im Land für Recht und Ordnung sorgt, bringen militärische Erfolge auf Dauer nur wenig Fortschritte.

In der Ministerrunde im 500 Jahre alten Schloss fehlte es nicht an Außenministern, die angesichts des neuen Schulterschlusses mit Washington die Bereitschaft zur Verstärkung des Engagements in Afghanistan bekundeten – des zivilen. Dabei kann sich die Bilanz Deutschlands, das bereits seit 2002 Polizisten in Afghanistan ausbildet und die meisten Ausbilder im Lande hat, sehen lassen: Rund 24.000 afghanische Polizisten wurden seither durch deutsche Kollegen ausgebildet. Insgesamt allerdings ist die Polizeiausbildung in Afghanistan oft als unzureichend kritisiert worden. Obama schickt jetzt nicht weniger als 4000 Ausbildner, die sich vor allem um die Polizei kümmern sollen. Auch Österreich will sich künftig in die Polizeiausbildung einbringen.

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