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"Europa in einer tiefen Krise"

Die Verhandlungen über das künftige EU-Budget sind beim EU-Gipfel in Brüssel in der Nacht auf Samstag offiziell gescheitert. Das gab der EU-Ratsvorsitzende Juncker bekannt.

„Wir wollten Europa finanzielle Perspektiven für die Jahr 2007-2013 verleihen. Das ist leider schief gegangen“, sagte der Luxemburger Ministerpräsident. Juncker sieht die EU nun in einer „tiefen Krise“.

Auch ein letzter dramatischer Rettungsversuch der zehn neuen EU- Mitgliedsstaaten hätte keine Einigung mehr gebracht. Die neuen vor allem mittel- und osteuropäischen Staaten hätten angeboten, auf einige Zuschüsse zu verzichten, wenn es damit noch auf dem Brüsseler Gipfel zu einer Einigung kommen könne.

Fünf EU-Staaten haben den jüngsten Kompromiss-Vorschlag von Ratspräsident Juncker für den Finanzrahmen 2007-2013 abgelehnt. Wie aus britischen Delegationskreisen verlautete, stimmten Großbritannien, Schweden, die Niederlande, Spanien und Finnland dagegen.

Finnland lehnte den Vorschlag laut Diplomatenkreisen ab, weil es zu viele Fördergelder für den ländlichen Raum verloren hätte. Dänemark und Italien hätten sich enthalten.

Zur daraus resultierenden Situation für die EU meinte Juncker, es gebe zwei widerstreitende Konzepte zwischen jenen, die Europa lediglich als Freihandelszone sehen wollten, und Anhängern einer politischen Union. Er erwarte keine Einigung in der Finanzfrage in den nächsten drei bis sechs Monaten unter britischer EU- Ratspräsidentschaft. Nach Großbritannien wird Österreich im ersten Halbjahr 2006 die EU-Präsidentschaft übernehmen.

Betroffen und ratlos – Erklärungen zum Scheitern des EU-Gipfels

In den Erklärungen der europäischen Staats- und Regierungschefs zum Scheitern des Brüsseler Gipfels spiegeln sich Betroffenheit und Ratlosigkeit. Folgende Übersicht dokumentiert einige Äußerungen direkt im Anschluss an das Gipfeltreffen.

Ratspräsident Jean-Claude JUNCKER, Luxemburger Ministerpräsident “Europa ist nicht in einer Krise. Es ist in einer tiefen Krise.“ – „Die Leiter bestimmter Delegationen wollten kein Abkommen erzielen.“ – „Ich habe mich geschämt, als ich gehört habe, dass die neuen Mitgliedsländer eines nach dem anderen erklärt haben, dass sie bereit sind, auf ihre finanziellen Ansprüche zu verzichten.“

französischer Staatspräsident Jacques CHIRAC: „Europa ist in einer schweren Krise.“ – „Er (Blair) wollte seinen ganzen Rabatt retten und das hat andere Länder dazu gebracht, ihre Haltung zum Schaden Europas zu übertreiben. Das ist ein schlechtes Ergebnis für Europa.“

britischer Premierminister Tony BLAIR: „Ich bin nicht bereit, dass mir jemand sagt, dass es nur eine Auffassung gibt, was Europa ist, und das dies die Meinung ist, die von bestimmten Leuten zu bestimmten Zeiten geäußert wurde. Europa gehört nicht einem von ihnen, Europa gehört uns allen.“

deutscher Bundeskanzler Gerhard SCHRÖDER: „Wir sind in einer der schwersten politischen Krisen, die Europa je erlebt hat.“ – „Ich bin traurig darüber.“

niederländischer Ministerpräsident Jan Peter BALKENENDE: „Das ist ein Problem, aber keine Krise.“ – „Ich bin anderer Meinung als der deutsche Bundeskanzler. Er benutzte den Begriff des nationalen Egoismus’. Ich hatte wirklich gehofft, dass der Kanzler mehr Verständnis für die Position der Niederlande hätte.“

Bundeskanzler Wolfgang SCHÜSSEL: „Heute Nacht wurde eine große Chance für Europa vergeben.“

belgischer Premier Guy VERHOFSTADT: „Es sind die Reichsten unter uns, die für Rabatte und Schecks gekämpft haben.“

ungarischer Regierungschef Ferenc GYURCSANY: „Wenn es für einem Kompromiss Großzügigkeit braucht, dann soll das eben so sein.“

tschechischer Ministerpräsident Jiri PAROUBEK: „Das Ergebnis zeigt eine tiefe Teilung Europas. Es zeigt, dass die Gründungsmitglieder der EU nicht immer den Weg der Solidarität gehen.“

polnischer Ministerpräsident Marek BELKA: „Die Tatsache, dass wir kein Budget haben, ist nicht beunruhigend. Was beunruhigend ist, ist die Atmosphäre in der EU.“

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