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Euro-Zone ohne Griechen - Debatte über "Plan B"

Düstere Zeichen für Griechenland verdichten sich.
Düstere Zeichen für Griechenland verdichten sich. ©AP
Eine Staatspleite Griechenlands, die in ein Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone münden könnte, ist wieder in aller Munde. Mit der Parlamentswahl vom Sonntag ist eine funktionsfähige und den verabredeten Spar- und Reformkurs weiterführende Regierung in weite Ferne gerückt.
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Deshalb sprechen inzwischen auch führende Akteure auf der europäischen Bühne offen aus, was lange Zeit als tabu galt. “Die Griechen haben es selbst in der Hand, über den Verbleib des Landes in der Euro-Zone zu bestimmen”, sagte gerade erst EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen.

Deutsche Reaktionen: Ausscheiden von Griechenland “unausweichlich”

Auch der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück hält ein Ausscheiden Griechenlands für unausweichlich. “Wenn ich politische Verantwortung hätte, würde ich mich vorbereiten wollen auf einen Plan B, der darauf hinaus läuft, dass die europäische Währungsunion, dass die Euro-Zone nicht mehr zwingend aus 17 Mitgliedstaaten besteht”, sagte Steinbrück in Brüssel. Die Euro-Länder müssten dafür sorgen, dass andere Staaten nicht angesteckt und in den Krisenstrudel hereingerissen würden.

Wie der Zeitablauf für einen solchen, in den Verträgen nicht vorgesehenen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro-Club aussehen könnte, vermag noch keiner zu sagen. “Ich weiß es nicht”, sagt ein hoher europäischer Funktionsträger, der es eigentlich wissen müsste. Mit der Zahlungsunfähigkeit des Landes allerdings könnte es schnell gehen. Wenn Griechenland Ende Juni nicht die nächste Tranche von gut vier Mrd. Euro von seinen Helfern aus dem Euro-Raum und dem IWF erhält, sieht es wohl düster aus. Größere finanzielle Puffer hat die Regierung in Athen angeblich nicht.

Was wäre die Folge des Euro-Aus?

Das Aus für Griechenland als Euro-Staat wäre zwar noch nicht zwingend – aber womöglich die Vorstufe. “Das wäre eher ein schrittweiser Prozess”, sagt ein führender Akteur auf europäischer Ebene. Für den Chef-Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz ist die Entwicklung vorgezeichnet: “Für den Fall, dass auch Neuwahlen keine Mehrheit für die Sparprogramme bringen, werden die Hilfen wohl eingestellt und das hat zwangsläufig zur Folge den Austritt Griechenlands aus der Währungsunion.”

Was eine Pleite Griechenlands und dessen Ausscheiden aus der Euro-Zone für andere Länder und die Zukunft der Währungsunion bedeuten würde, darüber streiten die Fachleute noch. Von “handhabbar” bis “Katastrophe” lauten die Vorhersagen. In einem sind sich die Experten aber einig: Für das überschuldete Land selbst, das von seinen Banken-Gläubigern gerade erst massiv per Schuldenschnitt entlastet wurde, wäre das Drama zwangsläufig. “Griechenland würde dann wirklich in eine katastrophale Lage kommen”, mahnte dieser Tage Klaus Regling, der Chef des Euro-Schutzschirmes EFSF. Die meisten Banken des Landes müssten wohl schließen, viele Händler und Produktionsfirmen würden folgen, die Arbeitslosenquote in Hellas würde von derzeit schon mehr als einem Fünftel der Erwerbstätigen noch weiter nach oben schnellen.

Würde das Land dann auch noch aus der Euro-Zone ausscheiden, weil eine neue Regierung die mit den europäischen Partnern und dem IWF verabredeten Auflagen und Verpflichtungen nicht mehr einhalten will, wäre das Dilemma komplett. Eine massive Abwertung der eigenen Währung gegenüber dem Euro zur Rückgewinnung der Wettbewerbsfähigkeit wäre eine erste Folge, die Zahlungsprobleme des Landes würden kurzfristig zementiert. Betroffen wären im Ausland vor allem die staatlichen Gläubiger der bisherigen Euro-Partnerländer, aber auch – trotz aller inzwischen vorgenommenen Risikoabsicherungen – weiterhin etliche Banken in Europa. “Das wäre unabwendbar”, sagt Regling. Zudem mahnt der Wirtschaftsweise Franz: “Ein Austritt Griechenlands birgt die Gefahr in sich, dass die Währungsunion dann auseinanderbricht.” Weitere Problemländer wie Spanien und Portugal könnten folgen.

Es gibt aber auch eine wachsende Zahl von Experten in- und außerhalb von Regierungsreihen, die das Problem Griechenland, wohin es sich auch immer entwickelt, für handhabbar halten. Die Folgen wären demnach für die Euro-Zone und die Finanzwelt nicht allzu dramatisch. Für den Wirtschaftsweisen Lars Feld ist Europa gegen das Risiko Griechenland weithin “immunisiert”. Für ihn gilt: “Griechenland ist ein Sonderfall.” Die europäischen Banken seien inzwischen mit Vorsorgen und großen Kapitalpuffern abgesichert und damit “relativ unangreifbar”. “Da habe ich keine größeren Befürchtungen mehr”, sagte Feld Anfang der Woche. Für die Eurozone sehe er jedenfalls “keine größeren Probleme mehr, gleich was in Griechenland geschieht”.

Unternehmen bereiten sich im Stillen vor

Die deutschen Unternehmen sorgen sich, wenn überhaupt, im Verborgenen, viele wollen ihre Notfallpläne nicht offenlegen und auch jegliches Missfallen bei griechischen Geschäftspartnern vermeiden. Die Deutsche Telekom, die mit ihrer Telefon-Tochter OTE eine wichtige Rolle in dem Land spielt, will sich zu ihren Plänen für den Fall eines Rückzugs Griechenlands aus der Euro-Zone gar nicht äußern. “Wir sagen dazu nichts, weil wir die Entwicklung nicht noch weiter anheizen wollen”, erläuterte ein Sprecher. OTE ist der größte Telekom-Anbieter in Südosteuropa. Die Telekom halten an den Griechen 40 Prozent. Die Bonner waren 2008 in der Hoffnung eingestiegen, vom Wachstum in Südosteuropa zu profitieren, mussten aber mittlerweile Milliarden auf das Geschäft abschreiben.

Auch Siemens schweigt: “Dazu können wir nichts beitragen”, sagte ein Sprecher. Der Konzern hatte erst vor einem Monat mit Athen einen Vertrag über die Lieferung von U-Bahn-Technik abgeschlossen. Bosch – die Schwaben betreiben mit Siemens ein Hausgeräte-Werk in Griechenland – geht derzeit nach Aussage eines Sprechers davon aus, dass es nicht zu einem Austritt Griechenlands aus dem Euro kommt. “Im täglichen Geschäft sind neue Alarmzeichen nicht zu erkennen”, sagte ein Sprecher. Die operativen Bereiche des Autozulieferers könnten auf neue Entwicklungen schnell reagieren und sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen. Auch die Deutsche Post sieht die Gefahren für ihr Geschäft als gering an. Das Unternehmen setze für den Notfall auf Flexibilität und nicht auf irgendwelche Pläne in der Schublade, sagte ein Sprecher.

Die Commerzbank wiederum hat sich im ersten Quartal mit EZB-Geld für eine Verschärfung der Finanzkrise gewappnet. Beim Tender der EZB nahm sie über ihre Töchter in Südeuropa rund fünf Mrd. Euro an dreijährigen Refinanzierungsmitteln auf. Ziel ist es, die in Spanien oder Italien ausgegebenen Kredite auch mit Papieren der entsprechenden Länder zu unterlegen. Damit würden Schulden und Ausleihungen bei einer Rückkehr zur Peseta oder Lire jeweils in der neuen Währung anfallen, so dass die Bank keine Währungsverluste zu befürchten hätte. Ähnliche Absicherungs-Strategien verfolgen zahlreiche Banken, auch auf Druck ihrer Aufseher, die ihnen Notfallpläne für ein Ende des Euro abverlangt haben.

(APA)

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