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EURO 2008 - Vom Prater zum Stadion mit der Wiener Liliputbahn

©© www.liliputbahn.com
Nicht nur Busse und Straßenbahnen - und künftig die U-Bahn - karren Fußballfans regelmäßig zu Matches ins Wiener Ernst-Happel-Stadion. Auch die Liliputbahn im Prater, die in diesem Jahr ihren 80-jährigen Geburtstag feiert, zählt seit Jahrzehnten zu den fixen Anreisemöglichkeiten für die Sportbegeisterten.

Mit zusätzlichen Zügen und verstärkten Intervallen zuckelt die Schmalspurbahn vor Spielbeginn fleißig zum Stadion. Auch bei der bevorstehenden Europameisterschaft soll dies der Fall sein: Geht es nach den Betreibern, werden es pro Match etwa 1.000 Besucher sein.

Diese Zahl wäre beispielsweise beim Freundschaftsmatch Österreich gegen Deutschland im Februar realistisch gewesen und entspreche zehn vollen Garnituren, erklärte Geschäftsführer Ronald Braun im APA-Gespräch. Bei Konzerten im Stadion fahre man etwa acht bis zehn Mal. Eine Einschränkung haben die Pläne der Liliputbahn-Betreiber allerdings: “Wir wissen noch nicht, wie das Verkehrskonzept aussieht”, betonte Braun. Gespräche mit den Verantwortlichen der Stadt Wien, wie und ob die Liliputbahn miteinbezogen werden könne, würden derzeit noch andauern.

Finanziell wäre die EURO 2008 für das traditionelle Unternehmen allerdings ein wichtiges Zubrot. “Von diesen Sachen leben wir auch”, erklärte der Geschäftsführer die Extra-Transporte zu Stadion-Veranstaltungen. Die Liliputbahn sei generell wegen sehr kostspieliger Reparaturen ein schwer zu erhaltender Liebhaber-Betrieb. Da der Verkehrsplan für den Sektor Prater noch nicht fertig vorliege, könne man einen möglichen Gewinn durch die EM noch nicht einschätzen. Teurer als gewöhnlich ist eine Fahrt zu Stadion-Veranstaltungen übrigens nicht: Eine Fahrt dorthin kostet auf der eingleisigen 3,9 Kilometer langen Rundfahrts-Strecke zwei Euro. Zwei Züge zusätzlich und 5- statt 15-Minuten-Intervalle werden eingerichtet.

Feierwütige Fußballfans werden trotz ihrer Bedeutung bei der Liliputbahn allerdings eher argwöhnisch betrachtet, als herbeigesehnt: Seit 30 Jahren gebe es riesige Probleme mit Anhängern, erklärte Braun. “Die machen alles kaputt.” Vandalismus und völlig Disziplinlosigkeit hätten sogar dazu geführt, dass Transporte nach Spielen vom Stadion zurück Richtung Praterstern generell eingestellt wurden. Außer Rand und Band geratene Anhänger seien am Dach mitgefahren, von den Waggons abgesprungen, hätten versucht die Lok umzustoßen oder Passanten mit Steinen zu bewerfen, schilderte der Geschäftsführer die “Palette an Unflätigkeiten” nach Spielen.

Anders als bei Musikveranstaltungen, bei denen die Liliputbahn auch nach Konzert-Ende extra Runden dreht, um die Besucher zurückzubringen, werden Fußballanhänger nur noch vor Match-Beginn hingebracht. Anschließend schließt die Bahn wie an gewöhnlichen Tagen bei Einbruch der Dunkelheit. Auch bei Fahrten zum Stadion seien die Fans “laut und etwas unfreundlich”, meinte Braun. “Aber das ist einfach in Griff zu kriegen, wir verstehen ja auch die Vorfreude der Jungen.”

Den Grund für den enormen Unterschied zwischen Konzert- und Match-Besuchern sieht der Geschäftsführer im Charakter der Veranstaltung selbst. “Bei Fußballspielen gibt es einfach einen anderen Menschenschlag als bei anderen Veranstaltungen”, meinte Braun. Bei Events wie der EM gehe es um Erfolg oder Niederlage – ein Teil feiere, der andere tobe aus Frustration. Ganz anders sehe es natürlich bei Konzerten aus, bei denen alle miteinander jubelten.

Auch vom Ambiente passt eine ruhige Fahrt in der Liliputbahn wohl eher zu einem Konzert, als einem spannungsgeladenen Fußballmatch: Rund 20 Minuten tuckert der Zug mit 18 km/h durch die Wälder und Wiesen des Praters. Romantisch wird es vor allem nach Einbruch der Dunkelheit: Der mit Lichtern erhellte Zug fährt durch das stille, unbeleuchtete Gelände, Laternen gibt es nur vereinzelt bei den fünf Stationen. “Die meisten sind ruhig oder unterhalten sich”, erzählt Braun über das Verhalten der Gäste. “Manche singen im bescheidenen Rahmen.” Den Shuttle-Dienst im Prater gibt es, seit die Bahn 1928 anlässlich des 100. Todestages des Komponisten Franz Schubert eröffnet wurde.

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