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EuGH stärkt private Wettanbieter

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht Strafen gegen ausländische Anbieter von Internet-Wetten als EU-rechtswidrig an und stärkt damit die Position privater Wettbanbieter wie etwa bwin.

Die Luxemburger Richter betonten am Dienstag in einem mit Spannung erwartetem Urteil zu einem konkreten Fall in Italien, dass ein Mitgliedstaat wegen nicht erfüllter Verwaltungsformalitäten, wie etwa dem Anbieten von Sportwetten ohne entsprechende Konzession in dem betroffenen Land, keine strafrechtlichen Sanktionen verhängen darf, wenn er selbst die Erfüllung dieser Formalität verhindert hat.

Konkret geht es in dem Fall „Placanica“ um mehrere Wettbürobetreiber in Italien, die für den britischen Sportwetten-Anbieter Stanleybet Sportwetten vermitteln. Italien hatte dem Unternehmen eine Konzession verweigert, weil nach italienischem Gesetz Kapitalgesellschaften vom Glücksspiel ausgeschlossen sind. Die italienischen Gerichte hatten den EuGH um seine Einschätzung gebeten.

Milliardenkosten für deutschen Haushalt

Auf den deutschen Bundeshaushalt kommen nach dem Urteil Steuerrückerstattungen in Milliardenhöhe zu. Die obersten EU-Richter erklärten am Dienstag in Luxemburg die frühere Besteuerung von Auslandsdividenden in Deutschland für rechtswidrig und zu hoch. Entscheidend für den Staatshaushalt und viele Steuerzahler ist, dass die Richter die Wirkung des Urteils nicht begrenzten. Damit drohen dem Staat nach Angaben des deutschen Finanzministeriums Steuerrückzahlungen von bis zu fünf Mrd. Euro. (Rs. C 292/04).

Dass die inzwischen geänderte unterschiedliche Besteuerung von Auslandsdividenden für illegal erklärt wird, war nach früheren EuGH-Urteilen erwartet worden. Das Finanzministerium hatte gemeinsam mit der EU-Kommission aber dafür geworben, wenigstens den Zeitraum für Rückerstattungen zu begrenzen, um den Staatshaushalt zu schonen. Das deutsche Argument: Bis zu einem EuGH-Urteil im Jahr 2000 sei nicht klar gewesen, dass das damalige deutsche Steuerrecht gegen EU-Recht verstößt. Zudem drohten große Belastungen für den deutschen Staat.

Die Richter ließen diese deutschen Argumente nicht gelten. Der Gerichtshof könne die zeitliche Wirkung eines Urteils nur ausnahmsweise beschränken, erklärten sie. Wenn er dies tue, müsse dies im eigentlichen Urteil über die strittige Rechtsfrage geschehen. Dieses Urteil sei aber bereits 1990 gefallen und zwar ohne seine Wirkung zu beschränken. Deshalb könne das Gericht jetzt nicht im deutschen Fall die Wirkung beschränken. Sonst würde dies gegen die Gleichbehandlung und den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.

Gegen Urteile des EuGH ist keine Berufung möglich. Die Bundesregierung muss den Spruch deshalb umsetzen. Der Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte, die Auswirkungen für den Gesamtstaat lägen bei maximal fünf Mrd. Euro. Für die genaue Bezifferung des Betrages müssten aber zunächst die Rückwirkungen des Urteils analysiert werden.

Steinbrück hatte mit ungewöhnlich scharfer Kritik an einer Gutachterin des Gerichts im Oktober versucht, doch noch eine zeitliche Beschränkung durchzusetzen. Deren Votum gegen eine Beschränkung hatte sein Ministerium als grotesk bezeichnet und ihr vorgeworfen, „fundamentale Interessen eines Mitgliedstaates und seiner Bürgerinnen und Bürger“ zu verletzen.

Summe angezweifelt

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bezweifelte die vom deutschen Finanzministerium genannte Summe von maximal fünf Mrd. Euro, die das Urteil den Staat kosten könnte. „Das ist viel zu hoch, das wird deutlich weniger sein“, sagte ein Sprecher. Diese Zahl sei nur deshalb so hoch angesiedelt worden, um das Gericht unter Druck zu setzen.

Das Urteil ist für die deutsche Regierung eine doppelte Niederlage, weil sie sich seit längerem grundsätzlich für eine Beschränkung von Folgen von EuGH-Urteilen etwa nach dem Vorbild des deutschen Verfassungsgerichtes einsetzt. Die Empörung über die bindenden Sprüche aus Luxemburg saß so tief, dass sich vereinzelt Regierungsvertreter schon über eine politische Kontrollinstanz des unabhängigen EuGH nachgedacht haben.

Im nun entschiedenen Fall geht es um die unterschiedliche Besteuerung von Dividenden ausländischer und deutscher Gesellschaften. Das Urteil hat nur noch Folgen für die Vergangenheit, weil die strittige Regelung im Steuerjahr 2001 abgeschafft wurde. Bis dahin konnten Aktionäre deutscher Firmen die vom Unternehmen gezahlte Körperschaftssteuer mit ihrer Einkommensteuer verrechnen. Für Dividendenerträge aus Firmen in anderen EU-Staaten gab es diese Möglichkeit nicht. Dies verstößt nach dem EuGH-Urteil gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs.

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