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EU will mit der Türkei im Gespräch bleiben

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz bei einem Treffen mit den türkischen Europaminister Ömer Celik
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz bei einem Treffen mit den türkischen Europaminister Ömer Celik ©APA
Die Europäische Union sucht Entspannung in dem nach dem Putschversuch vom Juli schwer belasteten Verhältnis zur Türkei. Am Samstag trafen sich erstmals seit dem Putsch und den darauf folgenden Massenverhaftungen in der Türkei alle 28 EU-Außenminister mit dem türkischen Europaminister Ömer Celik zu einem offenen Meinungsaustausch in Bratislava.

Der litauische Außenminister Linas Linkevicius, der Anfang August als erster EU-Minister Ankara nach dem gescheiterten Putschversuch besucht hatte, fasste es folgendermaßen zusammen: “Es gibt viele, viele, viele Gründe, warum wir miteinander reden sollten.” Die Türkei sei nicht nur EU-Kandidatenland sondern auch Mitglied der Zollunion mit der EU, mit einer Armee von über einer halben Million Mann einer der großen NATO-Verbündeten, und als Nachbar Syriens und des Irak und Aufnahmeland von fast drei Millionen Flüchtlingen natürlich entscheidend bei der Lösung der Migrationskrise.

Mit der Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen steht Österreich bisher alleine im Kreis der EU da. Zu groß ist dem Vernehmen nach die Angst der meisten EU-Mitgliedsstaaten, mit einem Verhandlungsabbruch oder einer Suspendierung der Beitrittsgespräche das Land am Bosporus nur noch weiter in die Instabilität zu stürzen. Die meisten EU-Außenminister würden dies für unklug halten, sagte ein ranghoher Diplomat.

Lage aus Sicht der Europäer verzweifelt

Dabei räumen Insider durchaus ein, dass die Lage aus Sicht der Europäer verzweifelt ist. Ob die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan noch weiter zu einem autoritären Staat umgebaut wird, oder ob es gelingt, die Verantwortlichen für den Putsch einigermaßen nach rechtsstaatlichen Kriterien zur Rechenschaft zu ziehen ist eine offene Frage. Ein Monitoring des Europarates, dem die Türkei angehört und dessen Mitglieder sich zu fairen Gerichtsverfahren verpflichten, soll die Einbindung der Europäer sicherstellen.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn betont ebenfalls, wie wichtig es sei, überhaupt im Gespräch zu bleiben, um das Verhältnis zu entspannen. “Wir sind hier auf einer sehr guten Gesprächsebene”, sagte er in Bratislava. Hahn will kommende Woche selbst mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini zu einer Bestandsaufnahme über die aktuelle Situation nach Ankara fahren.

Bemerkenswerte Zwischentöne

Den von Österreich forcierten Abbruch der Beitrittsgespräche sieht der EU-Kommissar nicht als das derzeit wichtigste Thema. Wichtiger wären jetzt die Flüchtlingsfrage, die Stabilisierung der Türkei, die Visafreiheit und die wirtschaftliche Zusammenarbeit, sagte Hahn. Die Türkei habe einen dramatischen Einbruch des Tourismus, so Hahn. Europa sei mit einem Anteil von 70 Prozent der größte Investor.

Bemerkenswert sind auch die Zwischentöne, mit denen EU-Vertreter nun mehr Verständnis für die Vorwürfe der türkischen Regierung signalisieren, die EU habe die Gefahren des Putsches unterschätzt. Bereits vor der Diskussion in Bratislava ließ der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Europaparlaments, Elmar Brok, mit der Bemerkung aufhorchen, er sehe nach seinem jüngsten Besuch in Ankara selbst vieles anders. So habe sich die von Erdogan für den gescheiterten Putschversuch verantwortlich gemachte Bewegung des im US-Exil lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen “in den Staat hineingefressen” und habe separate Befehlsstrukturen aufgebaut, sagte Brok. Die Gefahr sei unterschätzt worden.

Auch Ungarn will Türkei nicht verlieren

Auch Ungarn, das den EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei stets skeptisch beäugt hat, betont nun, dass es essenziell für die Sicherheit Europas sei, die Türkei als Partner nicht zu verlieren. Außenminister Peter Szijjarto forderte die EU auf, an der Seite des demokratisch gewählten Präsidenten Erdogan zu stehen. “Wir sind sehr enttäuscht von Statements, welche die Antwort der türkischen Regierung auf den Putsch kritisieren. Ein Staatsstreich ist eine ernste Angelegenheit. Daher muss auch die Antwort ernst sein”, meinte Szijjarto.

 

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