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EU-Verfassung: Sorge in Südosteuropa

Führende Balkan-Politiker sind besorgt, dass die derzeitige Krise in der EU negative Folgen für die Beitrittschancen der südosteuropäischen Staaten haben werde.

Auf einer von der Bertelsmann-Stiftung jüngst in Zagreb organisierten Konferenz mit dem Titel „Südosteuropa auf dem Weg in die Europäische Union“ warnte etwa Montenegros Premierminister, Milo Djukanovic, vor einer „neuen Trennlinie“ zwischen Mitglieds- und Nichtmitgliedsstaaten, die „das Risiko steigern würde, dass diese Region weiter zurück fällt“.

Der Außenminister Bosnien-Herzegowinas, Mladen Ivanic, bezeichnete ein Verschieben der Beitrittsperspektive als „größte Gefahr“, weil so „die Angst vor einer ungewissen Zukunft wieder relevanter wird als die regionale Annäherung“. Es müsse verhindert werden, „dass wir die nächsten zehn bis 15 Jahre damit verbringen zu überlegen, ob oder ob wir nicht in die EU aufgenommen werden“. Kosovo-Premierminister Bajram Kosumi sagte, dass „die jüngsten Entwicklungen in der EU nicht dazu führen“ dürften, „die Entwicklungen in Richtung EU-Integration aufzuhalten“.

Auf ihrem Gipfel in Saloniki im Sommer 2003 hatten die EU-Staats- und Regierungschefs den Staaten des Westbalkan (Kroatien, Serbien-Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien) grundsätzlich zugesichert, eines Tages Mitglieder der Union werden zu können. Dabei geht Brüssel nach dem so genannten Regatta-Prinzip vor, wonach die Länder nicht gemeinsam, sondern ihren jeweiligen Voraussetzungen entsprechend in die Union aufgenommen werden.

Nach den gescheiterten Referenden über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden forderte Kroatiens Premierminister Ivo Sanader die EU-Staaten auf, nicht zuzulassen, „dass die Ermüdung die Oberhand gewinnt“. Die Chance, die die EU-Erweiterung für alte wie neue Mitglieder biete, sei „zu groß, als dass wir sie so leichthin aufgeben können“.

Der kosovo-albanische Oppositionspolitiker und Zeitungsherausgeber Veton Surroi befürchtete, dass eine Verschiebung der europäischen Perspektive für den Westbalkan „die Reformer in den Staaten der Region entmutigen“ werde, „ihre eigene innenpolitische Agenda mutig voranzutreiben“. Außerdem zeige die derzeitige Krise, dass die schnelle Schaffung eines EU-Außenministeriums unabdingbar sei: Nur auf diese Weise könnten die EU-Staaten eine koharänte Strategie für Südosteuropa entwickeln.

Zahlreiche auf der Konferenz der Bertelsmann-Stiftung in Zagreb anwesende EU-Repräsentanten warnten ebenfalls vor den negativen Folgen eines Aussetzens der versprochenen Beitrittsperspektive. So sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, Elmar Brok: „Die Länder dieser Region brauchen die EU-Beitrittsperspektive, um ihre innere Reformfähigkeit zu bewahren.“

Der Sonderkoordinator des EU-Stabilitätspakts für Südosteuropa, Erhard Busek, betonte, dass die Stärke einer umfassenden Vereinigung Europas in der „Vereinigung all seiner Potenziale“ liege. Zugleich forderte er die Staaten des Westbalkan auf, die derzeitige Krise in der EU als „Aufruf“ zu verstehen: „Je mehr man die europäische Standards erfüllt, um so schneller wird man Mitglied.“ Auch Johannes Haindl aus dem Auswärtigen Amt in Berlin sagte, dass die „Ansteckungsgefahr für die Region“ am kleinsten sei, „wenn die Hausaufgaben gemacht“ würden.

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