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EU-USA: Vorsichtige Annäherungsversuche

Colin Powell spricht mit seinen europäischen Amtkollegen über den Wiederaufbau in Irak. Eine Rückkehr zur professionellen Diplomatie kündigt sich an.


US-Außenminister Colin Powell hatte sich schon frühmorgens und kaum beobachtet ins Brüsseler Hauptquartier der NATO begeben, um auf das Gesprächsmarathon mit seinen schwierigen europäischen Partnern zu warten. Was er von ihnen wollte, hatte er tags zuvor schon in Belgrad gesagt: „Ich möchte ihre Gedanken über den Wiederaufbau (des Irak) erfahren, über den Beitrag der Europäischen Union und der NATO. Und wir werden sicher über die angemessene Rolle der Vereinten Nationen sprechen.“

In aller Eile hatte sich Washingtons Außenminister zur Reise nach Europa entschlossen, schleunigst waren seine Kollegen nach Brüssel getrommelt worden. Doch in der Hektik war auch Erleichterung zu spüren – darüber, dass der Gesprächsfaden noch nicht ganz gerissen ist, und darüber, dass die USA die NATO-Verbündeten nicht völlig ignorieren wollen. Und die Rolle der Vereinten Nationen liegt den Europäern ganz besonders am Herzen. „Die UN haben nach dem Krieg die führende Rolle im Irak“, stellte die schwedische Außenministerin Anna Lindh kurz und bündig fest.

Das allerdings sieht der US-Minister anders. Nach dem heißen Krieg, so erläuterte Powell Journalisten auf dem Flug nach Europa, müsse das Militär der Siegermächte erst einmal die Kontrolle behalten, während eine irakische Übergangsregierung allmählich die Geschäfte übernehme. „Das Militär muss dann weitere Leute entwaffnen, mit dem Rest der (irakischen) Armee fertig werden, an die Massenvernichtungswaffen herankommen. Das kann man nicht von jetzt auf gleich einem anderen überlassen“, erklärte der Ex-General.

Dies aber ist ein Dreh- und Angelpunkt zumindest für jene Europäer, die auch nicht im Nachhinein den Anschein erwecken wollen, irgendwie hätten die Amerikaner doch richtig gehandelt. Washington möchte, dass die internationale Gemeinschaft eine von den Siegermächten kontrollierte Übergangsverwaltung in gewissen Weise anerkennt – auch weil dies wohl die Voraussetzung wäre für Hilfe beim Wiederaufbau.

Ein großer Teil der Europäer will jedoch jetzt keinen Blankoscheck ausstellen für ein Interims-Regime, das noch nicht einmal in Grundzügen erkennbar ist. Ihre Botschaft an Powell, die nicht nur Außenminister Joschka Fischer formulierte, lautet daher kurz und knapp: „Es ist zu früh, über den Wiederaufbau zu reden.“ So sah es zunächst nicht nach einem Durchbruch aus. Aber immerhin, man ist wieder im Gespräch, eine Rückkehr zur professionellen Diplomatie deutet sich an.

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