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EU-Renaturierungsgesetz: Blockade in Österreich bröckelt

Kaiser und Ludwig scheren bei der Blockade aus.
Kaiser und Ludwig scheren bei der Blockade aus. ©APA/GEORG HOCHMUTH (Archivbild)
Die bislang bestehende Ablehnung der Bundesländer gegenüber einer Zustimmung Österreichs zum EU-Gesetz zur Renaturierung hat am Freitag zu erodieren begonnen.
EU-Renaturierungsgesetz: Grüne wollen Sonderlandtag

Die von der SPÖ geführten Bundesländer Wien und Kärnten planen, bei der Konferenz der Landeshauptleute vorzuschlagen, sich "der jetzt vorgelegten EU-Verordnung zur Renaturierung anzunähern", verlautbarte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Freitag auf X (ehemals Twitter).

EU-Renaturierungsgesetz: Wien sieht viel Bewegung auf EU-Ebene

Wien habe die EU-Renaturierungs-Verordnung inhaltlich immer positiv gesehen, hieß es auch in einer Aussendung von Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ): "Gerade auch, weil wir in Wien in vielen Bereichen schon seit langem vorzeigen, wie Arten- und Lebensraumschutz funktioniert", sagte Czernohorszky zum Vorstoß von Bürgermeister Michael Ludwig und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser zur EU-Renaturierungs-Verordnung. Auf EU-Ebene habe sich einiges getan: Viele Bedenken der Länder konnten gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag zerstreut werden. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag unseres Bürgermeisters sehr, dass es hier nun auch aufseiten der Bundesländer Bewegung geben soll.

Gewessler könnte nun auf EU-Ebene für Renaturierungsgesetz stimmen

"Ich habe dieses Vorhaben immer unterstützt - Österreich konnte jedoch aufgrund der einheitlichen Ablehnung der Länder nicht zustimmen. Deshalb finde ich die Initiative der beiden Bundesländer sehr vernünftig. Ich werde Landeshauptmann Ludwig und Landeshauptmann Kaiser nun rasch um Klarstellung bitten, ob die Bundesländer Wien und Kärnten ihre Ablehnung hiermit aufheben und eine österreichische Zustimmung möglich machen", hieß es in einer ersten Reaktion der Umweltministerin.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verwies am Freitag in einem Brief an Ludwig und Kaiser auf einen Rundruf, der ergeben habe, "dass die Bedenken gegen die geplanten einschneidenden Maßnahmen der konkreten EU-Richtlinie in Sachen Renaturierung bei allen anderen Bundesländern unverändert aufrecht sind". Weil ihr ein breiter Konsens ein ganz großes Anliegen sei, werde sie den Landesamtsdirektor in St. Pölten beauftragen, nochmals die Beratungen mit seinen Amtskollegen in den Ländern aufzunehmen.

Besonders die Landwirtschaft werde von den EU-Plänen massiv bedroht, führte Mikl-Leitner aus. Die Europäische Union wolle in das Eigentum eingreifen und heimische produktive Ackerflächen stilllegen, "mit weitreichenden Konsequenzen für uns alle: In Österreich würde dadurch die Herstellung heimischer Lebensmittel massiv beschnitten. In weiterer Folge müssten wir mehr Lebensmittel aus Regionen der Welt importieren, die den wertvollen Regenwald für landwirtschaftlichen Flächen roden" so die Landeshauptfrau, die zudem anmerkte, dass die EU bei den Renaturierungs-Plänen "leider in die falsche Richtung" denke.

"Gerade in jenen Bundesländern, in denen die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle einnimmt, sind die großen Bedenken gegen diese EU-Pläne daher weiterhin aufrecht", betonte Mikl-Leitner. Darüber hinaus würde die zusätzliche Bürokratisierung Gesamtkosten von mindestens 154 Milliarden Euro verursachen.

Das geplante "Nature Restoration Law" wurde bisher von allen Bundesländern abgelehnt. Das EU-Gesetz sieht vor, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Nach langen Verhandlungen wurde es in einer abgeschwächten Form, die viele der früheren Kritikpunkte wie eine mögliche Gefährdung der Ernährungssicherheit berücksichtigte, im EU-Parlament beschlossen.

EU-Renaturierungsgesetz: Gewessler konnte wegen Bundeländern nicht zustimmen

Ende März wurde das EU-Renaturierungsgesetz von der belgischen Ratspräsidentschaft beim Rat der EU-Umweltminister kurzfristig von der Agenda genommen, als sich vor der finalen Absegnung des Gesetzes keine qualifizierte Mehrheit (mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer, die zudem mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der Union repräsentieren, Anm.) abzeichnete. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) war bisher durch die ablehnende "einheitliche Länderstellungnahme", die Bundesländer in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung Landessache ist, abgeben können, die Zustimmung verwehrt. Nun könnte die Ministerin auf EU-Ebene für das Gesetz stimmen. Aus EU-Kreisen hieß es, die nötige qualifizierte Mehrheit unter den EU-Staaten wäre damit wohl erreicht und könnte in dem Fall erneut zur Abstimmung gebracht werden.Theoretisch kann dies bei jedem EU-Ministertreffen passieren, ein wahrscheinlicher Kandidat wäre aber der nächste EU-Umweltrat am 17. Juni in Luxemburg. Davor dürften auch noch die EU-Diplomaten der 27 Mitgliedstaaten eine Abstimmung abhalten.

Umweltschutzorganisationen über Bewegung bei EU-Renaturierungsgesetz erfreut

"Mit dem Ende der Bundesländer-Blockade ist der Weg frei für die Zustimmung Österreichs zu diesem wichtigen Teil des EU Green Deals - und damit für eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten", so Reinhard Uhrig, Leiter der politischen Abteilung bei Global 2000 in einer Stellungnahme. Greenpeace-Sprecherin Ursula Bittner nannte das Renaturierungsgesetz einen der wichtigsten Meilensteine überhaupt für den Naturschutz in Europa. "Dass nun, mit der SPÖ, über Wien und Kärnten Bewegung in die Sache kommt, ist sehr erfreulich. Nun müssen auch die anderen Bundesländer ihre verantwortungslose Blockadehaltung aufgeben."

Die Naturschutzorganisation WWF Österreich begrüßte den aktuellen Vorstoß der beiden Bundesländer Wien und Kärnten für eine Neubewertung des aktuellen Entwurfes des EU-Renaturierungsgesetzes. "Das ist ein wichtiges Signal gegen die bisherige Blockade der Bundesländer. Das geplante Gesetz wäre ein riesiger Fortschritt für eine intakte Natur, sachlich betrachtet spricht alles dafür", sagte WWF-Programmleiterin Hanna Simons in einer Aussendung.

SPÖ-Parteivorsitzender Andreas Babler und SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder begrüßen die Entscheidung von Wien und Kärnten in Sachen EU-Renaturierungsverordnung. Mit der Änderung des Entwurfs hätten einige Bedenken der Bundesländer gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag ausgeräumt werden können, hieß es. "Mit dem neuen EU-Vorschlag zur Wiederherstellung der Natur können wir einen Beitrag leisten, Natur und Klima für unsere Kinder und Enkelkinder zu schützen", betonte Babler. "Nach der Prüfung des neuen Verordnungsentwurfs durch die Bundesländer ist der Weg frei für die Zustimmung Österreichs", ergänzte Schieder. Jetzt sei Ministerin Gewessler "am Ball".

(APA/Red)

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