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EU: Parlament zwingt Barroso zur Umbildung

Das Europäische Parlament hat Jose Manuel Barroso zu einer Umbildung seines umstrittenen künftigen Kommissarteams gezwungen. der künftige EU-Kommissar verspricht "ausreichende Änderungen".

Nach wochenlanger Kritik der Abgeordneten zog Barroso den Vorschlag für seine 24-köpfige Kommission angesichts einer drohenden Abstimmungsniederlage in letzter Minute zurück. Die amtierende EU-Kommission unter ihrem Präsidenten Romano Prodi muss bis zur Bestellung eines neuen Teams im Amt bleiben. In der Geschichte der Union ist ein solcher Schritt beispiellos.

Die Zentrum der Kritik der Abgeordneten steht der Italiener Rocco Buttiglione, der für den Posten des Innen- und Justizkommissars vorgesehen war. Er hatte mit seinen konservativen Aussagen zu Homosexualität und zur Rolle der Frau den Konflikt zwischen EU-Parlament und Kommission ausgelöst. Mit Ablehnung drohten Sozialdemokraten, Liberale, Grüne, Linke und viele Euroskeptiker.

Positives Echo
Die Abgeordneten begrüßten die Verschiebung der Abstimmung über die neue Kommission. „Sie haben die richtigen Konsequenzen gezogen“, sagte der Chef der Sozialisten, Martin Schulz. Er forderte aber, dass Barroso die kritischen Ergebnisse anderer Kommissarsanhörungen ebenso berücksichtigt. „Kommen Sie nicht nicht mit der gleichen Kommission zurück“.

Der Chef der größten Fraktion, der konservativen EVP, Hans Gert Pöttering, betonte in Hinblick auf den Christdemokraten Buttiglione, die Umbildung dürfe nicht nur eine Person betreffen. Er forderte namentlich, dass auch die Kandidaten Laszlo Kovacs (Energie), Ingrida Udre (Steuern und Zölle) und Neelie Kroes (Wettbewerb) entfernt werden oder andere Ressorts erhalten. Der liberale Fraktionschef Graham Watson erklärte, das Parlament habe mit dem Rückzieher Barrosos „an Statur gewonnen“. Der Euro-Skeptizismus habe verloren, die demokratische Stimme Europas sei dagegen lauter geworden.

Barroso versprach „notwendige und ausreichende Änderungen“ in seinem Team „innerhalb von wenigen Wochen“. Seine Arbeit als künftiger Kommissionspräsident werde er fortsetzen. EU-Parlamentarier wie der SPÖ-Vize-Fraktionschef Hannes Swoboda und der EVP-Abgeordnete Elmar Brok zeigten sich überzeugt, dass die Anhörungen für neue Kommissare schnell organisiert werden könnten. Das Parlament könne bei seiner nächsten Sitzung Mitte November über einen neuen Vorschlag Barrosos abstimmen, sagte Swoboda.

Die designierte österreichische Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner geht davon aus, dass sie auf ihrem Posten bleibt. „Ich habe heute morgen mit dem Bundeskanzler gesprochen. Ich gehe davon aus, dass er mich für den nächsten Vorschlag wie bisher wieder benennen wird. Ich ändere gar nichts“, sagte sie vor Journalisten. Auch Brok, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses, betonte, die Frage eines Ressortwechsels der Österreicherin „steht nicht zur Debatte“.

EU-Agrarkommissar Franz Fischler hält den Rückzug des Kommissars-Teams für „die beste aller schlechten Varianten, um größeren Schaden abzuwenden“. Er selbst stehe „selbstverständlich“ für die interimistisch im Amt verbleibende Kommission und zwar „so lange das nötig ist“. In Brüssel bestätigte Kommissionssprecher Reijo Kemppinen, dass dies die gesamte EU-Kommission unter Romano Prodi bereit sei, ihr Amt weiter auszuüben.

Die Delegationsleiterin der SPÖ im EU-Parlament, Maria Berger, zeigte sich erfreut. „Barroso hat lange nicht reagiert und das Parlament ignoriert.“ Die Sozialdemokraten bestünden nun darauf, dass Buttiglione „auf jeden Fall nicht Justiz- und Inneres-Kommissar, und auch nichts anderes wird“. Als einzig richtige Möglichkeit sieht die ÖVP-Delegationsleiterin, Ursula Stenzel, die Entscheidung Barrosos. „Trotz des Triumphgeheuls mancher Sozialdemokraten und Kommunisten ist die Rechnung der linken Seite des Hauses nicht aufgegangen, nur einen christdemokratischen Kommissar aus Barrosos Team herauszuschießen.“

Der fraktionslose EU-Parlamentarier Hans-Peter Martin wünscht sich auch einen neuen Kommissionspräsidenten. Martins Wunschkandidat für den Posten wäre der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker. Der grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber sprach von einem Sieg für die Demokratie in Europa. „Die Sensation besteht darin, dass die Demokratie ein Stück Normalität in Europa geworden ist.“ Er verlangte Änderungen für sechs bis sieben Kommissare. Als „Kotau vor dem Meinungsdruck der Linken im Parlament“ kritisierte als einziger Österreicher der FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer den Rückzug des Kommissionsvorschlags.

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