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EU-Parlament gegen mehr als 48 Stunden Wochenarbeitszeit

Das Europaparlament hat den Plan der EU-Regierungen zurückgewiesen, unter bestimmten Voraussetzungen die Wochenarbeitszeit auf bis zu 65 Stunden auszuweiten.

Die Abgeordneten in Straßburg votierten fraktionsübergreifend mit breiter Mehrheit dafür, die Höchstarbeitszeit in der EU bei 48 Stunden zu belassen. Bestehende Ausnahmen von der Regel sollen nach dem Willen des EU-Parlaments nach drei Jahren auslaufen.

Auch in anderen Punkten stimmten die Europaabgeordneten gegen die von den Regierungen gewünschten Änderungen bei der EU-Arbeitszeitrichtlinie. So sprachen sie sich mehrheitlich dafür aus, dass der gesamte Bereitschaftsdienst, einschließlich inaktiver Zeit, als Arbeitszeit angesehen wird. Im Gegensatz dazu will der EU-Ministerrat die inaktive Zeit während des Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit ansehen, sofern nicht in bestimmten Rechtsvorschriften, in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern etwas anderes vorgesehen ist. Der Beschluss des Europaparlaments bedeutet, dass die Abgeordneten nun mit dem EU-Ministerrat in einem Vermittlungsverfahren einen Kompromiss suchen müssen, ansonsten wäre die Novelle gescheitert.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (S) sagte, er sei vor dem Hintergrund seiner Funktion als früherer ÖGB-Präsident mit dem Beschluss “nicht unglücklich”. “Der Souverän hat gesprochen.” Bei Bereitschaftsdienst und Ausnahmeregelungen müsse man “noch einmal nachdenken”. Er erwarte nun Bewegung der Regierungen.

Die im Wirtschaftsministerium für Arbeit zuständige Staatssekretärin Christine Marek (V) erwartet “ein zähes Ringen”. Knackpunkt werde dabei die Regelung der Bereitschaftsdienstzeiten. Hier sei eine Lösung absolut notwendig, da die Mehrheit der EU-Staaten vor allem im Spitalswesen derzeit gegen EU-Recht verstoße.

Die österreichischen Europaabgeordneten begrüßten die Zurückweisung des Gesetzesentwurfs der Regierungen. Der SPÖ-Europaabgeordnete und frühere Gesundheitsminister Harald Ettl nannte das Votum einen “großen Erfolg für ein soziales Europa”. Der Plan der EU-Regierungen hätte “eine Verschlechterung der Arbeitszeitregelung gebracht”. “Die vom Rat vorgeschlagenen Verschärfungen wären für viele Berufsgruppen unzumutbar gewesen. Gerade im Gesundheitssektor wäre ein Sicherheitsrisiko für die Patienten möglich gewesen”, erklärte der ÖVP-Europaabgeordnete und Kärntner ÖAAB-Obmann Hubert Pirker.

Der Europasprecher der Grünen, Johannes Voggenhuber, betonte in einer Aussendung, das EU-Parlament habe “eine Attacke des Rates gegen soziale Schutzbestimmungen zur Arbeitszeit abgewehrt”. Das Parlament habe “den Fuß in die Tür zu einem sozialen Europa gestellt”, betonte er. “Nun schlägt die Stunde der Wahrheit für die neue österreichische Bundesregierung.”

Die EU-Staaten haben sich im Juni nach mehr als drei Jahren darauf verständigt, dass unter bestimmten Bedingungen eine Erhöhung der normalen Wochenarbeitszeit von 48 auf bis zu 65 Stunden möglich sein soll und mit Sozialpartner-Vereinbarung noch mehr. Die weitreichenden Ausweitungen der Arbeitszeit waren ein Zugeständnis an Großbritannien, das bisher die EU-Arbeitszeitregeln überhaupt nicht anwendet.

Außerdem wurde vereinbart, dass Phasen “inaktiver Bereitschaft – also wenn ein Arzt zwar im Spital ist, aber schläft – nicht als Arbeitszeit gerechnet werden. Nach zwei Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, wonach auch Bereitschaft als Teil der Arbeitszeit zu gelten hat, verstoßen derzeit fast alle EU-Staaten – auch Österreich – insbesondere im Gesundheitswesen gegen EU-Recht. Mit dem geänderten EU-Gesetz würde der Status quo in den heimischen Krankenhäusern nicht verändert, sondern nur legalisiert.

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