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EU-Parlament droht Straßburg

Das EU-Parlament droht der Stadt Straßburg mit einer Klage wegen heimlich einkassierten Millionenbeträge aus Mietzahlungen der Volksvertretung.

Die Stadt verweigere nach wie vor schriftliche Angaben über die Einnahmen aus der Untervermietung und über deren Rechtfertigung, sagte der zuständige Vizepräsident des Europaparlaments Gerard Onesta (G) am Donnerstag vor der Presse in Brüssel.

Das Parlament habe bereits die Mietzahlungen bis Juli eingefroren. „Notfalls“ werde man auch vor Gericht gehen, drohte Onesta, nachdem Parlamentspräsident Josep Borrel am Donnerstag bereits in einem Brief den französischen Premierminister Dominique de Villepin zur Mithilfe bei der Aufklärung aufgefordert hat.

Wegen der Affäre hat das Europaparlament (EP) außerdem auf Empfehlung des Haushaltskontrollausschusses beschlossen, die Entscheidung über die Entlastung des Parlamentshaushalts 2004 bis auf weiteres zu verschieben.

Während das Parlament für die Gebäudemiete jährlich 10,5 Mio. Euro an die Stadt Straßburg gezahlt hat, hat diese – wie sich jetzt herausstellte schon seit 27 Jahren – deutlich weniger Miete an den eigentlichen Eigentümer, den niederländischen Pensionsfunds SCI Erasme weitergezahlt.

Der EP-Vizepräsident zeigte sich über diese Vorgehensweise erbost:
„Wir wussten von nichts. Straßburg hat mehr als ein Viertel Jahrhundert lang kassiert. Wir hatten keine Vorstellung, dass die Mieten, die wir der Stadt zahlten, höher waren als jene, die sie an Erasme weitergegeben hat. Gewinne aus Untervermietungen sind grundsätzlich nicht illegal. Wir hätten uns aber nie gedacht, dass eine öffentliche Behörde, die einen großen Vorteil davon hat, dass die EU-Volksvertretung in ihrer Stadt tagt, das Europaparlament kommerziell ausnützt.“

Die Bürgermeisterin von Straßburg, Fabienne Keller, begründete die Differenz mit Umrechnungsgewinnen aus der Umstellung von Franc auf Euro, mit großen Investitionen in die fraglichen Gebäude und damit, dass der Straßburger Sitz des Europaparlaments erst 1999 vertraglich verankert worden sei. Bis dahin habe Straßburg das Risiko eines Abzugs der EU-Volksvertretung abdecken müssen.

Laut Europaparlament hat Straßburg jedoch bis heute keine Rechnungen für die angeblichen Investitionen vorgelegt und auch die Differenzen aus den Umrechnungen nie schriftlich belegt. Und das Risiko für den Abzug des Parlaments sei spätestens 1999 weggefallen, betonte Onesta.

Aufgekommen sei der Finanzskandal erst dadurch, dass das Parlament die beiden betreffenden Gebäude „Winston Churchill“ und „Madriaga“ von der niederländischen Firma erwerben wollte. Durch die Übernahme von Gebäuden habe das Europaparlament schon eine halbe Milliarde Euro eingespart. Auch bei den betreffenden Gebäuden wollte man längerfristig Einsparungen erreichen.

Schließlich habe man sich mit Erasme auf einen Kaufpreis von 136 Mio. Euro geeinigt. Dem musste der Stadtrat von Straßburg allerdings noch zustimmen, da das Grundstück der Stadt gehörte. Das Europaparlament hatte von Straßburg verlangt, dass Straßburg wie Brüssel und Luxemburg auch der Volksvertretung das Grundstück um einen symbolischen Euro zur Verfügung stellt. Der Stadtrat habe dem zugestimmt. Gleichzeitig sei aus dem Beschluss aber auch hervorgegangen, dass von den 136 Mio. Euro, die das Parlament an Erasme zahlen wollte, 29 Mio. Euro an die Stadt gehen sollten – als Entschädigungen für die schon bisher einbehaltenen Mietanteile.

„Wir waren völlig überrascht, weil wir bisher nichts gewusst hatten, dass es da eine Differenz gab“, betonte der Vizepräsident des Parlaments. Von Straßburg verlangt er nun eine lückenlose Dokumentation. Erst dann könne man bewerten, ob das Vorgehen Straßburgs gerechtfertigt war oder nicht, so Onesta.

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