AA

Juncker fordert Lösungen in der Migrationspolitik

Juncker wünscht sich eine einige EU auf der Weltbühne
Juncker wünscht sich eine einige EU auf der Weltbühne ©APA (AFP)
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat den österreichischen EU-Ratsvorsitz aufgefordert, zukunftsfähige Lösungen in der Migrationspolitik auszuarbeiten. In seiner letzten Rede zur Lage der Union sagte Juncker, am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Straßburg, die EU könne nicht über jedes ankommende Schiff streiten.

“Ad-hoc-Lösungen reichen nicht aus”, um nach Junckers Ansicht die Migrationsproblematik zu bewältigen. Im Allgemeinen forderte er eine stärkere Rolle Europas in der Welt. Vor den Europaabgeordneten verlangte er deshalb eine Abschaffung der Vetomöglichkeiten. Etwa im Bereich der Außenpolitik und bei bestimmten Steuerfragen sollten die Staaten stattdessen mit qualifizierter Mehrheit entscheiden können. Dafür müssen einerseits mindestens 16 der 28 EU-Staaten zustimmen, andererseits müssen die zustimmenden Länder mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Dabei betonte er, dass Europa auf der Weltbühne mit einer Stimme sprechen müsse. “Denn nur dann wird man uns hören.” Dabei dürfe die EU nie wieder den Fehler machen, nationale Diplomatie parallel zu betreiben, sondern benötige ausdrücklich eine europäische Diplomatie.

“Europa muss eine aktive Rolle spielen, ein Architekt der Welt von morgen sein”, sagte Juncker in seiner jährlichen Regierungserklärung zur Lage des Kontinents. Es ist die letzte Rede dieser Art des 63-jährigen Luxemburgers, der nächstes Jahr abtritt. Im Mai wird ein neues Europaparlament gewählt. Junckers Amtszeit endet im Herbst. Der Titel gibt die Grundaussage wieder: “Die Stunde der europäischen Souveränität.”

“Wir brauchen qualifizierte Migranten”

In Sachen Migration äußerte sich Junker dahingehend, dass die EU mehr Solidarität und Effizienz brauche. Die EU-Kommission unterstütze dies mit ihrem heutigen Vorschlag, die Europäische Grenz- und Küstenwache bis 2020 auf 10.000 Mann aufzustocken. Zudem soll die europäische Asylagentur ausgebaut werden.

Die EU-Staaten bräuchten zudem stärkere Unterstützung bei der Bearbeitung von Asylanträgen. Juncker forderte ebenso legale Einwanderungsmöglichkeiten, die EU-Staaten sollten die diesbezüglichen Vorschläge der Kommission unterstützen. “Wir brauchen qualifizierte Migranten”, erklärte er.

Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache äußerten sich insgesamt sehr wohlwollend zur Rede Junckers. Vor allem die Aufstockung der Europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex begrüßten beide vor dem Ministerrat am Mittwoch in Wien. Der Vorschlag zur Frontex-Aufstockung sei “sehr begrüßenswert als wichtiger Schritt hin zu einem ordentlichen Schutz der EU-Außengrenzen”, erklärte Kurz laut Bundeskanzleramt.

Auch von Innen-Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) wurden die Vorschläge Junckers großteils unterstützt. Juncker habe ganz wichtige Dinge genannt. Gerade die Stärkung von Frontex sei ein wichtiges Element, verkündete Edtstadler. Österreichs EU-Vorsitz hoffe diesbezüglich auf Gemeinsamkeiten, um die Dinge voranzutreiben. Sie kündigte für Dezember ein hochrangiges Forum in Wien an.

Kontra USA und Pro Afrika

Außerdem brachte Juncker ein Bündnis für nachhaltige Investitionen und mehr Arbeitsplätze in Afrika ins Spiel. Mit Afrika müsse die EU eine echte Partnerschaft eingehen. Europa müsse aufhören, Afrika nur mit den Augen eines Entwicklungshilfegebers zu sehen, da dies demütigend sei und Afrika keine Almosen benötige. Unterstützung dafür gab es ebenfalls von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der die Intensivierung einer gleichrangigen Partnerschaft mit Afrika, welche Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung in den Mittelpunkt stelle, ausdrücklich befürwortete. Österreich werde nach seiner Aussage noch während des EU-Vorsitzes, ein hochrangiges EU-Afrika-Forum im Dezember in Wien organisieren.

Um die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren, will die EU-Kommission die globale Bedeutung des Euro stärken. Ein Großteil der europäischen Energieimporte werde derzeit in US-Dollar abgewickelt, sagte Juncker. Das sei “völlig unsinnig”. Der Euro müsse stattdessen zum “Gesicht und Werkzeug” der neuen europäischen Souveränität werden.

Rückhalt für Sanktionsverfahren

Juncker stellte sich auch hinter die Sanktionsverfahren gegen Mitgliedsländer, wenn diesen Verstöße gegen die Prinzipien des Rechtsstaats vorgeworfen werden. So muss Artikel 7 dort Anwendungen finden, wo der Rechtsstaat in Gefahr ist. Gegen Polen läuft bereits ein solches Verfahren, an dessen Ende der Entzug der Stimmrechte im EU-Rat stehen kann. Ein entsprechendes Strafverfahren gegen Ungarn brachte das EU-Parlament am Mittwoch auf den Weg. Die Abgeordneten stimmten dem Antrag mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit zu. Nun muss sich der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs mit dem Thema befassen und die Einleitung offiziell beschließen.

Angesichts des Erstarkens radikaler Kräfte in Europa stellte sich Juncker zudem aggressivem Patriotismus entgegen. “Ich liebe mein Land, aber ich hasse nicht die anderen Länder”, sagte der Luxemburger. “Ich will nicht in dieser Welt der Ablehnung, in dieser Welt des Hasses leben.” Nationaler Patriotismus und europäischer Patriotismus schlössen sich dabei nicht aus, sagte der Kommissionschef, der ein Patriot bleiben will, sich allerdings aufgeklärten Patriotismus zusprach.

Abschaffung der Zeitumstellung

Juncker kündigte in seiner Rede außerdem die Abschaffung der Zeitumstellung für das kommende Jahr an. Die Entscheidung, ob sie die Sommer- oder die Winterzeit behalten wollen, sollen die Mitgliedstaaten demnach selbst treffen. Gemäß dem Vorschlag sollen am 31. März 2019 das letzte Mal die Uhren in den EU-Staaten verpflichtend umgestellt werden. Beim nächsten Termin, dem 27. Oktober 2019, wäre die Zeitumstellung für die Mitgliedstaaten freiwillig. Danach soll es keine weiteren Umstellungen zwischen Sommer- und Winterzeit geben.

Dies hält Bundeskanzler Kurz für eine sehr sinnvolle Initiative. Im Gegensatz zu Juncker fällt jedoch auf, dass er nach der Abschaffung eine einheitliche Regelung für alle EU-Mitgliedsstaaten anstrebt und damit genau den Aspekt hervorhebt, den Juncker mit der Souveränität Europas doch eigentlich bestärken sollte. Man werde nach Kurz dem Willen vieler Bürger gerecht und vereinfache nicht zuletzt die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Europa, wenn man eine Abschaffung der Zeitumstellung ermöglicht.

Auch Karoline Edtstadler äußerte sich zu dieser Thematik. Der österreichische EU-Vorsitz wolle die von Juncker aufgeworfene Frage, rasch auf die Tagesordnung des EU-Rates bringen. Europa müsse Fragen der Wirtschaft, der Zuwanderung und der Digitalisierung verstärkt angehen. Das Ziel sei dabei ein stabiler und sicherer digitaler Binnenmarkt.

(APA/dpa)

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Juncker fordert Lösungen in der Migrationspolitik
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen