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EU-Kommission: Verhärtete Fronten

Wenige Tage vor der mit Spannung erwarteten Abstimmung über die neue EU-Kommission haben sich im Europaparlament die Fronten verhärtet. Die Linken im Parlament drohen mit einem Nein am Mittwoch.

Sozialisten, Grüne, Liberale und die Fraktion der Vereinigten Linken lehnten die Ernennung des Italieners Rocco Buttiglione zum neuen Kommissar für Justiz, Bürgerrechte und Inneres wegen dessen konservativer Einstellung zu Homosexualität und Familie weiter strikt ab. Hinter den überzeugten Katholiken stellten sich hingegen Christdemokraten, Konservative und Teile der Euroskeptiker. Das Votum ist für Mittwoch geplant.

Der 56-Jährige, der dem Vatikan nahe steht, hatte bei einer Anhörung im Europaparlament Homosexualität als „Sünde“ bezeichnet. Zugleich sagte er, die Ehe ermögliche es Frauen, Kinder zu bekommen und sich von ihrem Mann beschützen zu lassen. Daraufhin sprach sich der Innen- und Rechtsausschuss nach heftigen Debatten gegen die Nominierung des Italieners aus – eine Premiere in der Geschichte des Straßburger Parlaments. Vertreter des linken Lagers forderten den künftigen Kommissionspräsidenten Jose Manuel Durao Barroso auf, entweder auf Buttiglione zu verzichten oder ihm ein anderes Ressort zuzuweisen.

Barroso lehnt dies bisher ab. Er kündigte jedoch an, er werde in der Kommission eine Arbeitsgruppe zu Themen wie beispielsweise den Grundrechten einrichten. De facto könnte dies bedeuten, dass Buttiglione die Zuständigkeit etwa für die Bekämpfung von Diskriminierung Homosexueller entzogen wird. Den Kritikern reicht dies aber nicht aus.

Die sozialistische Fraktion, mit 200 Abgeordneten die zweitgrößte Gruppe im Europaparlament, werde sich nicht mit „einer kosmetischen Lösung oder einem Flickwerk“ zufriedengeben, sagte deren Fraktionschef Martin Schulz (SPD). Er forderte Barroso auf, Buttiglione ein anderes Ressort zu übertragen. Sollte der rechtsliberale Portugiese dies nicht tun, werde er der Fraktion empfehlen, die Kommission abzulehnen. Ähnlich äußerten sich die Grünen, Liberalen und die Fraktion der Vereinigten Linken, der unter anderen die PDS-Abgeordneten angehören.

Rückendeckung erhielt Buttiglione hingegen im konservativen Lager. Er habe „volles Vertrauen“ in dessen „persönliche und politische Fähigkeiten“, betonte der Vorsitzende der mit 268 Mitgliedern stärksten Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), Hans-Gert Pöttering (CDU). Der Italiener sei das „Opfer einer unheilsamen Koalition aus dem linken Lager des Parlaments“ geworden, kritisierte die CDU-Abgeordnete Ewa Klamt.

Am Dienstag will Barroso dem Plenum sein Programm erörtern und das Kollegium der 24 Kommissare offiziell vorstellen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob er zu weiteren Zugeständnissen bereit ist – oder ob er es auf einen Konflikt ankommen lässt. Das Risiko eines solchen Machtkampfes ist erheblich – zumal gleich mehrere der designierten Kommissare im Europaparlament auf Bedenken gestoßen sind. Zu ihnen gehört die Niederländerin Neelie Kroes, die als künftige Wettbewerbskommissarin Firmenfusionen und öffentliche Zuschüsse kontrollieren soll. Vor allem im linken Lager fürchtet man einen Interessenskonflikt, weil die 63-Jährige als Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte enge Kontakte zur Wirtschaft knüpfte.

Barroso muss daher damit rechnen, dass seine Mannschaft am Mittwoch nur ein knappes Ja erhält – was die Kommission mit einer schweren Hypothek belasten würde. Zumal er selbst am 22. Juli mit 413 gegen 251 Stimmen im Parlament deutlich weniger Unterstützung erhielt, als sein Vorgänger.

Sollten sich gar die Kritiker durchsetzen und die gesamte Kommission abgelehnt werden, würde dies die EU in eine ernste Krise stürzen – und dies zwei Tage vor der für Freitag in Rom geplanten Unterzeichnung der EU-Verfassung. Ein Nein des Parlaments hätte zur Folge, dass die Kommission nicht, wie geplant, am 1. November ihr Amt antreten könnte. „Dann muss die alte Kommission die laufenden Amtsgeschäfte weiterführen“, erläuterte Barrosos Sprecherin, Pia Ahrenkilde. Die Kommission lehne es aber ab, über ein solches „negatives Szenario zu spekulieren“.

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