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EU: Justizkommissar Buttiglione abgelehnt

Der designierte Justizkommissar Rocco Buttiglione wurde vom zuständigen EU-Aussschuss abgelehnt. Sein ungarischer Kollege Laszlo Kovacs erhielt trotz mangelhafter Vorstellung eine Gnadenfrist.

Nachdem der Ausschuss für Grundrechte im EU-Parlament am Montag Nachmittag mit 27 gegen 26 Stimmen dem designierten italienischen EU-Kommissar Rocco Buttiglione die Zustimmung verweigert hatte, war der designierte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso auch am Dienstag nicht bereit, sich zu dem bisher einmaligen Vorfall zu äußern. Barrosos Sprecherin betonte wiederholt, dass Barroso erst nach dem 21. Oktober, wenn ihm vom EU-Parlament die Bewertung aller Kommissarskandidaten übermittelt wird, Stellung beziehen werde. Zu weiteren Aussagen war sie nicht bereit.

Mit der Abstimmung vom Montag gab es erstmals seit Einführung der Anhörungen ein negatives Votum eines Ausschusses gegen einen Kandidaten. Allerdings ist nicht die Meinung eines Ausschusses entscheidend, sondern lediglich die Abstimmung des gesamten Hauses über die gesamte EU-Kommission. Diese ist für den 27. Oktober angesetzt.

Eine solche Totalablehnung wird aber nach dem sehr knappen negativen Votum über Buttiglione in Brüssel nicht erwartet. Allerdings könnte die Zustimmung des EU-Parlaments, das mit der EU-Kommission im Gesetzgebungsverfahren eng zusammenarbeiten muss, deutlich fallen. Dadurch wären die Beziehungen zwischen den beiden EU-Institutionen schon von Anfang an belastet. Viel hängt nun vom Fingerspitzengefühl Barrosos ab, der in irgendeiner Weise auf die Ablehnung Buttigliones reagieren muss.

Noch vor Barroso ist das Präsidium des Parlaments, also die Versammlung der Fraktionsführer, am morgigen Mittwoch an der Reihe, eine Bewertung der Kommissarskandidaten abzugeben. Zwar dürfte das Gremium nach allgemeiner Erwartung die Zustimmung zur neuen EU-Kommission empfehlen, es könnte aber vorschlagen, Buttiglione ein anderes Ressort zu übertragen. Kommt Barroso, der daran nicht gebunden ist, einer solchen Forderung nach, schwächt er sich selber, lehnt er sie ab, stößt er die Abgeordneten vor den Kopf.

Ungarischer Kommissar Kovacs erhält Gnadenfrist

Hatte es zunächst so ausgesehen, als ob die Volkspartei im Gegenzug für die Ablehnung des konservativen Buttiglione dem schwachen Sozialdemokraten Laszlo Kovacs eine Abfuhr erteilen könnte, so hat sie dafür im Industrieausschuss keine Mehrheit gefunden. Immerhin wurde Kovacs nicht ausdrücklich akzeptiert, womit ein gewisses Gleichgewicht geschaffen wurde. Denn auch Buttiglione ist formal juristisch gesehen nicht abgelehnt worden, hat sein Ausschuss doch nur seine Bestellung abgeschlagen, sich aber nicht ausdrücklich gegen ihn ausgesprochen, wie in der Europäischen Volkspartei nun argumentiert wird.

Buttiglione selbst sieht sich als Opfer einer Anti-Berlusconi Lobby im EU-Parlament und sieht seine Aussagen zur Familienpolitik missverstanden und falsch zitiert. „Im europäischen Parlament regiert eine Lobby, der zufolge ein Minister der Regierung Berlusconi nicht würdig ist, den Posten des Justizkommissars zu besetzen“, meinte Buttiglione, der gleichzeitig versicherte, dass er auf seinen EU-Kommissarposten nicht verzichten werde.

Auch der italienische Regierungschef Silvio Belusconi zeigte sich empört. Das Nein aus dem Europa-Parlament habe „einen Beigeschmack von Fundamentalismus“. Es richte sich gegen „die Gewissensfreiheit eines Politikers katholischen Glaubens“.

Aus Österreich kam die Kritik aus der SPÖ-Delegation. Die EU-Parlamentarier Hannes Swoboda und Maria Berger nannten Buttigliones Äußerungen „völlig inakzeptabel“ und „erschreckend.“ Für Swoboda wäre „das Mindeste“ eine öffentliche Erklärung Barrosos, in der dieser klar macht, „dass die privaten Ansichten Buttigliones nicht der Haltung der EU-Kommission entsprechen und daher auch nicht für künftige Vorschläge und Initiativen der EU-Kommission ausschlaggebend sind.“

Buttiglione hatte die Ablehnung mit provozierten Aussagen verursacht, wonach Homosexualität zwar nicht strafbar, aber eine Sünde sei, sowie dass er die Rolle der Frau in der Gesellschaft als Mutter und Ehefrau sehe. Auch waren ihm sein Einsatz für Flüchtlings-Auffangstellen in Nordafrika sowie für den freizügigen Umgang mit Passagierdaten bei Transatlantik-Flügen angekreidet worden.

Udr als Kommissarin trotz Korruptionsvorwurf akzeptiert
„Nach langen Diskussionen“ hat der Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments Ingrida Udre als „akzeptabel“ für die Position einer EU-Kommissarin für Steuern und Zölle angesehen, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Ausschusses nach der Anhörung der Lettin. Allerdings seien die Ausschussmitglieder aufgrund ihrer Aussagen nicht in der Lage gewesen, endgültig einzuschätzen, ob Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten bei der Finanzierung ihrer Partei gerechtfertigt seien.

Der Ausschuss fordert vom designierten EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso eine volle Untersuchung der Vorwürfe und einen Bericht an das EU-Parlament über die Integrität Udres. Auch solle sich die designierte EU-Kommissarin verpflichten, unverzüglich zurückzutreten, sollten einer der Vorwürfe gegen sie bewiesen werden. Weiters solle die Grüne Politikerin bis 1. November alle politischen Verpflichtungen in ihrem Heimatland zurücklegen.

Inhaltlich sieht der Parlamentsausschuss ein „ausreichendes Beherrschung“ des Steuerdossiers und ein „lobenswertes Verständnis“ der technischen Fragen bei Zöllen. Allerdings scheine sie „keine klar Vorstellung vom Initiativrecht der EU-Kommission zu haben“.

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