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EU-Gipfel: Nehammer will mehr Zäune an Außengrenzen

Bundeskanzler Karl Nehammer sprach sich vor dem EU-Gipfel für mehr Grenzbarrieren an Außengrenzen aus.
Bundeskanzler Karl Nehammer sprach sich vor dem EU-Gipfel für mehr Grenzbarrieren an Außengrenzen aus. ©AP (Symbolbild)
Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich im Vorfeld des EU-Gipfels am Donnerstag aufgrund der hohen Asylzahlen für mehr Grenzbarrieren an EU-Außengrenzen ausgesprochen.
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Die ÖVP-Regierungsmitglieder machen sich angesichts der hohen Migrationszahlen in Österreich für mehr Zäune an der EU-Außengrenze stark. "Wir müssen endlich das Tabu Zäune brechen", sagte Nehammer im Vorfeld des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel. Es brauche in Bulgarien einen Zaun, der mit finanziellen Mitteln der Europäischen Union unterstützt werde. Österreich hatte aufgrund der gestiegenen irregulären Migration den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens blockiert. Die Grünen äußerten sich indes skeptisch.

Nehammer fordert mehr Zäune an EU-Außengrenzen

Er sei im "engen Austausch" mit den Staatsoberhäuptern der beiden Länder, so Nehammer. "Der bulgarische Präsident führt selbst an, dass es notwendig ist, den Zaun gegenüber der Türkei" zu verstärken, sagte der Kanzler. Sofia brauche dafür nach eigenen Angaben rund zwei Milliarden Euro.

"Zäune an sich sind nichts Neues", erklärte Nehammer weiter in Hinblick auf die Barrieren an der griechisch-türkischen Grenze. "Nur bis jetzt werden die Nationalstaaten alleine gelassen, die EU-Kommission gibt die Gelder nicht frei." Österreich hatte beim EU-Innenministerrat in der Vorwoche aufgrund der gestiegenen irregulären Migration den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens blockiert. Es brauche in Bulgarien einen Zaun, der mit finanziellen Mitteln der Europäischen Union unterstützt werde, betonte Nehammer. Sofia benötigt dafür nach eigenen Angaben rund zwei Milliarden Euro.

Nehammer: Großteil der Migranten kommt nicht über Bulgarien

Bulgarien habe alle notwendigen technischen Kriterien im Jahr 2011 erfüllt, reagierte der bulgarische Präsident Rumen Radew zu Österreichs Schengen-Veto. Jeder Einspruch der betroffenen Länder sei innenpolitisch motiviert. Er sei überzeugt, dass der Großteil der Migranten nicht über Bulgarien komme. "Wir sind hoch motiviert unsere Grenzen zu schützen", betonte der bulgarische Präsident und verwies darauf, dass drei bulgarische Polizisten an der Grenze gestorben seien. "Sie wurden an der Grenze erschossen, während sie die Außengrenze der EU schützten", so Radew. Er verlange daher, dass Bulgarien wie ein solidarisches Land angesehen werde.

Radew sagte weiters, er sei in engem Austausch mit Nehammer und Bundespräsident Alexander Van der Bellen und er denke, dass man "gemeinsam sehr schnell eine Lösung finden" werde. "Ich kann garantieren, dass Bulgarien sein Bestes tun wird, aber bitte lasst uns nicht allein, denn alleine kann kein Land an der Frontlinie damit fertig werden."

Kritik von Johannsson am Schengen-Veto Österreichs

Ebenfalls Kritik am Schengen-Veto Österreichs kam von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson: Das helfe nur Russland. Er halte es für "untauglich", den Konflikt Russland-Ukraine mit einer Sicherheitsfrage für Unionsbürger in Verbindung zu bringen, so Nehammer. Es müssten "Lösungen gefunden werden und nicht untaugliche Vergleiche".

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass Deutschland zur Erweiterung des Schengen-Raums eine "klare Haltung" habe, dass neben Kroatien, auch Bulgarien und Rumänien in den Schengenraum einbezogen werden. "Wir werden weiter daran arbeiten, dass möglich zu machen, als gemeinsame Entscheidung", so Scholz.

Michel verstehe Position in Bulgarien und Rumänien

EU-Ratschef Charles Michel unterstrich, dass er voll und ganz die Position in Bulgarien und Rumänien verstehe. Er hoffe, dass es ein paar Signale gebe, in den kommenden Monaten Fortschritte zu erzielen. Es werde beim Gipfel keine formelle Debatte zu Schengen geben, dennoch erwarte er, dass das Thema besprochen werden, so der EU-Ratschef.

Bei ihrem voraussichtlich letzten Gipfel 2022 in Brüssel beraten die EU-Staats- und Regierungschef eine breite Palette an Themen. Im Fokus stehen der russische Angriffskrieg in der Ukraine sowie die hohen Energiepreise. Im Streit um einen EU-Gaspreisdeckel sind die Fronten verhärtet.

Anders als sonst ist der Gipfel nur für einen Tag angesetzt. Diplomaten rechnen aber laut dpa damit, dass er bis tief in die Nacht zum Freitag andauern könnte.

Edtstadler spricht sich für "physische Barrieren" aus

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) spricht sich für die Errichtung "physischer Barrieren" im Außengrenzschutz Europas aus. "Diese physischen Barrieren wird es brauchen, um diesen Außengrenzschutz tatsächlich zu etablieren", sagte sie in einer Diskussionsrunde von krone.tv am Mittwochabend. Auf Nachfrage der Moderatorin präzisierte sie, es handle sich um "ein(en) Zaun, eine Mauer - Sie können es nennen, wie Sie wollen".

"Ich glaube, wir müssen irgendwann zur Kenntnis nehmen, dass es ohne physische Barrieren nicht gehen wird, dass wir einen ordentlichen Außengrenzschutz haben", betonte die Europaministerin weiter. In der Vorwoche hatte Österreich mit einem Veto im EU-Innenministerrat den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum verhindert. In den vergangenen Jahren haben mehrere EU-Länder zur Eindämmung der illegalen Migration Grenzzäune errichtet.

Kritik von den Grünen an der Forderung nach Zäunen

Kritik gab es indes vonseiten des Koalitionspartners Grüne an der Forderung nach Zäunen: "Was die EU-Außengrenzen betrifft muss beides möglich sein: Ordnung UND Humanität. Wenn die EU ihre Mitgliedstaaten in Sachen Grenzkontrollen unterstützt, dann so, dass genau dieses Ziel erreicht wird. Der einfache Ruf 'baut Mauern um Europa' aus dem Binnenland Österreich trägt mehr zur Polemik in der Debatte als zur Lösung bei", so Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer in einer Mitteilung vom Donnerstag.

SPÖ wirft ÖVP Hilflosigkeit vor

Der SPÖ-Parlamentsklub warf der ÖVP "hilflose Symbolpolitik im Asyl- und Migrationsbereich" vor. "Seit Jahren unternehmen die ÖVP-Regierungen nichts, um das Thema irreguläre Migration wirksam und nachhaltig zu lösen", heißt es in einer Aussendung des SPÖ-Klubs. "Mit falschen Partnern wie Orban, der Österreich auf der Nase herumtanzt, hat Nehammer überhaupt keine Glaubwürdigkeit. Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, seriöse Vorschläge für ein neues Asyl- und Migrationssystem in Europa vorzulegen."

NEOS zeigten sich empört über Vorstoß von Nehammer

Empört zeigten sich die NEOS über den Vorstoß des Kanzlers: "Dieser 'trumpeske' Vorschlag wird Österreich nur noch mehr in die Nähe rechter Populisten wie (Ungarns Regierungschef Viktor) Orbán rücken und von den restlichen EU-Mitgliedsländern isolieren", so Europaabgeordnete Claudia Gamon in einer Mitteilung vom Donnerstag. "Der Bundeskanzler sollte sich für ein gemeinsames, europäisches Asylsystem starkmachen, anstatt Millionen Euro für kilometerlange Zäune zu verschwenden. Und vor allem sollte er als ersten Schritt heute das Veto gegen Rumänien und Bulgarien zurücknehmen!", forderte Gamon.

FPÖ zur Aussage Nehammers

"Wenn Nehammer es ernst meint, dann soll die Regierung endlich Grenzbarrieren an strategisch wichtigen Punkten an der österreichischen Grenze errichten und die Kosten dafür gleich beim EU-Beitrag Österreichs zum Abzug bringen. Das geht schneller, als auf eine Finanzierungszusage der EU zu warten. Da es keine Festung Europa gibt, braucht es eine Festung Österreich - und Grenzbarrieren sind ein wichtiger Beitrag dazu", forderten FPÖ-Chef Herbert Kickl und der freiheitliche Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Bis Ende November seien in Österreich mehr als 103.000 Asylanträge gestellt worden, bei rund zwei Prozent der Einwohnerzahl der EU-27 seien dies mehr als 13 Prozent der EU-weit gestellten Anträge.

Innenminister Ge

Die EU-Kommission hat einige Punkte in ihrem Aktionsplan zur Eindämmung der Migration auf der Westbalkanroute aufgenommen. Der Brüsseler Vorschlag sieht stärkere Grenzkontrollen und den Einsatz der EU-Truppe Frontex, sowie EU-Unterstützung bei Rückführung abgelehnter Asylsuchender vor. Nicht enthalten sind darin aber etwa die von Österreich geforderte Zurückweisungsrichtlinie sowie Asylverfahren in sicheren Drittstaaten.

Die Kommission erklärt zudem stets, dass es kein Geld für Mauern, Zäune und Stacheldraht gibt, lediglich für Infrastruktur an der Grenze. Ein Argument lautet etwa, dass dann das Geld an anderer Stelle fehlen würde, beispielsweise bei der Küstenwache. In den vergangenen Jahren haben bereits mehrere EU-Länder zum Außengrenzschutz Zäune an ihren Grenzen errichtet.

(APA/Red)

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