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EU-Gipfel einigte sich auf gemeinsame Linie für Türkei-Pakt

Faymann: "Deutschland muss unterstützen, dass es keine illegalen Routen gibt, auch nicht augenzwinkernd" .
Faymann: "Deutschland muss unterstützen, dass es keine illegalen Routen gibt, auch nicht augenzwinkernd" . ©AFP
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf ihrem Gipfel in der Nacht auf Freitag auf eine gemeinsame Position zu dem von der Türkei vorgeschlagenen Flüchtlingspakt geeinigt. "Einigung auf EU-Position", schrieb Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Am Freitagmorgen wird Ratspräsident Donald Tusk demnach das Ergebnis dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu vorlegen, bevor der Gipfel erneut zusammenkommt. Die EU-Staaten haben sich bei ihren Beratungen zwar noch nicht auf ein konkretes Datum für die Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei geeinigt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte aber in der Nacht auf Freitag, dass sie in naher Zukunft beginnen müsse, um zu verhindern, dass die Flüchtlingszahlen wieder anschwellen.

“Pull-Effekt” verhindern

Man müsse einen “Pull-Effekt” verhindern, sagte Merkel. Die EU-Staaten müssten deshalb sehr schnell Personal für den Einsatz in Griechenland zur Verfügung stellen, um eine individuelle Prüfung der Flüchtlinge und dann auch die Rückführung in die Türkei zu ermöglichen, mahnte Merkel.

Es sei eine klare Forderung der Türkei, dass wenige Tage nach dem Start der Rückführung damit begonnen werden müsse, syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Türkei auf die EU-Staaten zu verteilen. Zu einer solchen Aufnahme seien auch fast alle EU-Staaten bereit, zumal damit keine weitergehenden Verpflichtungen als die von den EU-Regierungen bereits gemachten Zusagen verbunden seien, betonte Merkel. Auch dafür müssten schnell die Vorbereitungen getroffen werden, sagte die Kanzlerin.

Frankreichs Präsident warnt vor zu großen Erwartungen

Frankreichs Präsident François Hollande hat indessen vor allzu großen Erwartungen an den Flüchtlingspakt mit der Türkei gewarnt. Selbst wenn die Einigung zustande komme und umgesetzt werde, beseitige sie nicht die Fluchtursachen, sagte er in der Nacht auf Freitag. Wenn es in Syrien nicht zu einem politischen Übergang komme, werde es weiterhin Migrationsbewegungen geben. Zudem bereite die Situation im Bürgerkriegsland Libyen Sorgen. “Wenn sie nicht geregelt wird, (…) besteht die große Gefahr, dass es auch dort neue Bevölkerungsbewegungen gibt”, warnte Hollande.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon warnt die EU-Staaten unterdessen vor einer Politik der Abschottung in der Flüchtlingskrise. “Mauern zu bauen, Menschen zu diskriminieren oder sie zurückzuschicken ist keine Antwort auf das Problem”, sagte Ban der “Bild”-Zeitung (Freitagausgabe) laut Vorausbericht. Ban unterstrich in diesem Zusammenhang, Merkel mache einen “super Job”, andere Politiker sollten sie unterstützen und sie zum Vorbild nehmen.

Das bringt der zweite Gipfeltag in Brüssel

Die EU-Staaten und die Türkei wollen sich beim Gipfeltreffen am heutigen Freitag in Brüssel auf eine gemeinsame Erklärung zur Flüchtlingskrise einigen. Damit will Europa den Flüchtlingsandrang aus der Türkei stark reduzieren.

Für den türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu beginnt der Tag in Brüssel früh. Schon in der Früh (8.30 Uhr) trifft er sich mit EU-Gipfelchef Donald Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, dessen Land gerade den Vorsitz der EU-Staaten innehat. Die EU-Spitzenvertreter sollen dabei mit Davutoglu eine Einigung über die in der Nacht zuvor abgestimmte EU-Position erzielen.

Anschließend sollen die 28 EU-Chefs ohne den türkischen Regierungschef den eventuell nochmals veränderten Text diskutieren und absegnen. Die EU-Staats- und Regierungschefs treffen schließlich Davutoglu zum Essen (voraussichtlich 13.00 Uhr).

Nun soll eine gemeinsame Erklärung der EU mit der Türkei zur Flüchtlingskrise stehen. Darin waren laut Entwurf eine Beschleunigung der geplanten Visa-Erleichterungen für türkische Bürger und zusätzliche Geldzahlungen an Ankara vorgesehen.

Faymann: Gemeinsames Vorgehen mit Türkei möglich

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hält nach den Beratungen beim EU-Gipfel in Brüssel eine Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei für möglich. “Eine gemeinsame Vorgangsweise mit der Türkei ist möglich”, sagte Faymann in der Nacht auf Freitag. “Positiv ist, dass wir eine gemeinsame Position in die Verhandlungen einbringen. Ob etwas herauskommt, weiß nur ein Hellseher.”

Die Verhandlungen sollen am Freitagvormittag mit der Türkei weitergehen. “Wir erwarten, dass wir gegen 13.00 Uhr wissen, wie sich die Türkei verhält. Wir haben unsere Positionen abgesteckt”, sagte Faymann. Dies sei angesichts der unterschiedlichen Positionen der 28 EU-Länder nicht einfach gewesen.

Der Deal soll nach Worten des Bundeskanzlers Schlepper abschrecken. “Es soll funktionieren, dass Schlepper erkennen: Sie werden in Zukunft mit ihrem Geschäftsmodell keinen Erfolg mehr haben.” Jemand, der dafür bezahle, nach Griechenland zu kommen, werde wieder zurückgeführt. “Das ist die Basis der Vereinbarung.”

Auch die geschlossenen Westbalkanroute sei ein entscheidender Punkt. “Illegale Routen sind stillzulegen”, forderte Faymann. In diesem Zusammenhang appellierte der Kanzler neuerlich an Deutschland. “Deutschland muss unterstützen, dass es keine illegalen Routen gibt, auch nicht augenzwinkernd, und sagen, wie viel Deutschland übernehmen kann. Das würde sehr viel Druck herausnehmen aus der Westbalkanroute.”

Faymann sagte auf eine entsprechende Frage nicht, wie viele Flüchtlinge Österreich aus der Türkei aufnehmen werde. Österreich liege beim Resettlement unter den EU-Staaten an zweiter Stelle, betonte er. Dies zeige, “dass man sich bei Menschlichkeit auf Österreich verlassen kann. Zu glauben dass Österreich ohne Limit helfen kann, ist falsch.”

(APA)

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