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EU erwägt Sanktionen - Russland reagiert mit Spott

Die Europäische Union hat im Kaukasus-Konflikt ihre Gangart gegenüber Russland verschärft und sich dafür beißenden Spott eingehandelt.

Der amtierende EU-Ratsvorsitzende Bernard Kouchner schloss am Donnerstag erstmals nicht aus, dass beim EU-Sondergipfel am Montag Sanktionen gegen Moskau beschlossen werden. “Sanktionen werden erwogen, neben anderen Maßnahmen”, sagte der französische Außenminister in Paris. Der russische Außenminister Sergej Lawrow zog Kouchners Aussagen ins Lächerliche und bescheinigte ihm eine “krankhafte Fantasie”. Tiflis warnte indes vor einer Ausdehnung des Konflikts auf die Ukraine.

Kouchner sagte, er wolle den Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs nicht vorgreifen. Man wolle aber einen “starken Text” ausarbeiten, der zeige, “dass wir die Situation (in Georgien) nicht akzeptieren”. Bisher hatte Paris Forderungen nach Sanktionen gegen Russland zurückgewiesen. Am Dienstag stieß Moskau seine westlichen Partner jedoch vor den Kopf, als es die Unabhängigkeit der abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien anerkannte. Die georgische Armee hatte Anfang August eine Wiedereroberung des seit eineinhalb Jahrzehnten faktisch unabhängigen Südossetien versucht, war aber von russischen Kräften zurückgeschlagen worden. Nach fünftägigen Kämpfen stimmten Moskau und Tiflis einem von der EU vermittelten Waffenstillstand zu.

Lawrow bezeichnete die EU-Sanktionsgedanken am Rande eines Gipfels der “Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit” (SCO) in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe als “Demonstration völliger Konfusion”. Mit ironischem Unterton fügte er hinzu, die EU sei “einfach nur irritiert, weil der kleine Schoßhund gewisser westlicher Hauptstädte (der georgische Präsident Michail Saakaschwili, Anm.) ihre Erwartungen nicht erfüllt hat”. Kouchner habe auch davon gesprochen, “dass wir bald Moldawien, die Ukraine und die Krim angreifen werden. Aber das ist eine krankhafte Fantasie, und das gilt genauso für die Sanktionen”, höhnte Lawrow. Der SCO gehören neben Russland und China die ehemaligen Sowjetrepubliken Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan an.

Zuvor hatte der russische Präsident Dmitri Medwedew in einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten und EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy erneut einen Rückzug der georgischen Truppen in ihre Stützpunkte gefordert. Wie das russische Präsidialamt mitteilte, sprachen die beiden auch über “weitere Vereinbarungen”, um die Sicherheit an der “Grenze” Südossetiens und Abchasiens zu garantieren. Der Westen lehnt die von Russland eingerichteten “Pufferzonen” auf georgischem Gebiet ab.

Die georgische Außenministerin Eka Tkeschelaschwili rief indes die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu dringendem Handeln gegen Russland auf. Bei einer Sitzung des Ständigen OSZE-Rates am Donnerstag in Wien warnte die Ministerin vor einem “Dominoeffekt”. So zeigten sich nun auch auf der mehrheitlich von Russen bewohnten ukrainischen Halbinsel Krim “erste Zeichen” für eine ähnliche Entwicklung, sagte die Außenministerin. Ukrainische Medien hatten über die Ausgabe russischer Pässe an die Bewohner der Halbinsel berichtet. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte gegenüber der “Süddeutschen Zeitung” (Donnerstagausgabe) ebenfalls die Befürchtung, dass der Konflikt “zu einer Krise der gesamten Schwarzmeerregion wird.”

Während sich die Präsidenten Polens, Litauens, Lettlands und Estlands am Donnerstag bei einem Treffen in Vilnius auf eine harte Position gegenüber Russland einschwören wollten, gab der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg dem georgischen Präsidenten die Schuld am jüngsten Konflikt. Saakaschwili habe nicht auf Ratschläge (des Westens) reagiert und damit “leider sein eigenes Land in den Untergang getrieben”, sagte Schwarzenberg in einem Interview mit der tschechischen Online-Tageszeitung “Novinky”. Der serbische Premier Mirko Cvetkovic sagte, die Anerkennung der einseitig ausgerufenen Unabhängigkeit des Kosovo habe einen Dominoeffekt im Kaukasus verursacht. Belgrad habe davor gewarnt, betonte Cvetkovic in einem Gespräch mit der serbischen Tageszeitung “Politika” (Donnerstag-Ausgabe). “Unglücklicherweise hat sich das jetzt ereignet.”

Außenministerin Ursula Plassnik (V) versuchte den Eindruck zu zerstreuen, dass sich Österreich mit Kritik an Russland zurückhalte. “Es gibt keine Neutralität gegenüber dem Völkerrecht”, sagte sie am Donnerstag in Klagenfurt.

In der Konfliktregion selbst blieb es am Donnerstag weitgehend ruhig. Russland ließ zwölf georgische Soldaten frei, die vor rund zwei Wochen bei den Kämpfen in der Hafenstadt Poti festgenommen worden waren. Südossetien meldete den Abschuss einer georgischen Drohne. Die NATO teilte mit, dass im Schwarzen Meer derzeit ungeachtet des Konflikts ein Flottenmanöver des nordatlantischen Bündnisses stattfindet.

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