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Estland tritt als Nummer 17 der Euro-Zone bei

Mitten in der Schuldenkrise bekommt die Euro-Zone Zuwachs. Der Beitritt des baltischen Staates am 1. Jänner gilt schlichtweg als logischer Schritt. Estland weist in Europa eine der niedrigsten Staatsverschuldungen auf und hat die Währungsumstellung von Krone zu Euro langfristig vorbereitet.

Die Regierung in Tallinn hofft darauf, durch den Euro neue ausländische Investoren anzulocken und den Handel zu stärken. Zudem ist es für das 1,3 Millionen Einwohner zählende nordeuropäische Land ein weiterer Schritt in Richtung Westen – heraus aus der Umklammerung des mächtigen Nachbarn Russland. Der Este denkt wahrscheinlich gar nicht in diesen Dimensionen. Er hofft, Geld zu sparen. Vor allem Hausbesitzer profitieren, ihre Hypotheken laufen bei den großen in Estland tätigen ausländischen Geldhäusern wie der Swedbank, SEB und Nordea längst in Euro.

Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) verweist auf die Errungenschaften Estlands. Das Land sei kaum verschuldet und politisch stabil, erklärt Heinemann. Deswegen müsse der Beitritt zur Euro-Zone auch in der Schuldenkrise vollzogen werden. “In der Krise innezuhalten und den Prozess zu stoppen, wäre Panikmache.”

Während Estland mit dem Euro-Beitritt große Erwartungen verknüpft, ist das Interesse anderer Mitgliedskandidaten wie Polen und Tschechien mit den Rettungsaktionen der Euro-Zone für Griechenland und Irland rapide gesunken. Seit an den Kapitalmärkten Unsicherheit über die Stärke der Währungsgemeinschaft herrscht und die Angst vor einer Transferunion umgeht, sind die Staaten zu Bedenkenträgern geworden. Eile bei der Einführung der Gemeinschaftswährung verspüren sie schon lange nicht mehr.

Dazu tragen auch die Zweifel über die Bewältigung der Schuldenkrise in Portugal und Spanien bei. Diese Länder zeigten, dass auch ein Euro-Land an den Märkten hohe Refinanzierungskosten haben könne, merkte JP Morgan an. “Es gibt mehr Risiken, wenn man in der Euro-Zone ist als wenn man nicht in ihr ist”, sagte jüngst der polnische Notenbankchef Marek Belka. Die Möglichkeit der Landeswährung Zloty zur Abwertung hat wohl hauptsächlich dazu beigetragen, dass das Nachbarland Deutschlands im vergangenen Jahr nicht in die Rezession rutschte.

“Zurückhaltung ist das Gebot der Stunde”, umschreibt LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch die Stimmung dieser Länder. JP Morgan hat unlängst seine Erwartungen deutlich zurückgeschraubt und rechnet jetzt frühestens für 2019 mit einem Beitritt Polens und Ungarns – etwa fünf Jahre später als zunächst erwartet. Die anderen Baltik-Staaten Litauen und Lettland dürften es nach Einschätzung von Capital-Economics-Ökonom Neil Shearing frühestens 2015 schaffen.

Wäre es nach der EZB alleine gegangen, würde Estland zum 1. Jänner kein Mitglied der Währungsunion. Die Notenbank hatte im Frühjahr Vorbehalte gegen einen Beitritt geäußert. Es sei fraglich, ob das baltische Land seine Inflation gut genug im Griff habe, hieß es damals. Die EU-Kommission hatte Mitte Mai die EZB überstimmt und grünes Licht für die Aufnahme der Esten in die Euro-Zone gegeben. Die Inflation des Ostsee-Anrainers ist zuletzt gefallen. Für kommendes Jahr rechnet die Notenbank mit einem Wirtschaftswachstum von 3,9 Prozent.

Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zieht der Beitritt Estlands zur Währungsunion ein Stühlerücken nach sich: Denn nun sitzen die Zentralbankchefs von 17 und nicht mehr 16 Euro-Ländern im Kreis des EZB-Rats, der sich alle zwei Wochen im 36. Stock des Euro-Towers in Frankfurt trifft. Im sogenannten erweiterten Rat der EZB war Estland schon seit dem Beitritt zur EU mit dabei. Diesem Gremium gehören neben EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und seinem Stellvertreter Vitor Constancio die Notenbankchefs aller 27 EU-Länder an. Während der erweiterte Rat vor allem ein Beratungsgremium ist, darf Estlands Zentralbankgouverneur Andres Lipstok ab Jänner als Mitglied des EZB-Rats nun endlich auch bei der Geldpolitik mitentscheiden.

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