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Erzbischof von Warschau tritt zurück

Unmittelbar vor der feierlichen Amtseinführung ist der neue Warschauer Erzbischof Stanislaw Wielgus (67) wegen seiner Geheimdiensttätigkeit zurückgetreten. Pressestimmen

Wie die Vertretung des Vatikans in Polen am Sonntag eine halbe Stunde vor Beginn der Zeremonie in der Warschauer Kathedrale mitteilte, habe Papst Benedikt XVI. den Rücktritt akzeptiert. Kardinal Jozef Glemp, den Wielgus eigentlich ablösen sollte, werde vorläufig weiter im Amt bleiben. Wielgus bestätigte seinen Rücktritt dann auch persönlich während der ursprünglich für seine Amtseinführung bestimmten Messe, die kurzerhand zu einem Dankgottesdienst für Glemp umfunktioniert wurde.

Der beispiellose Schritt von Wielgus ging mit ungewöhnlichen Emotionsäußerungen der Kirchgänger einher. Nach der Rücktrittserklärung gab es innerhalb der Johannes-der-Täufer-Kathedrale Beifallsbekundungen und laute Aufforderungen an den Oberhirten, seinen Schritt zu überdenken. Einige Gläubige riefen „Nein, Nein!“ und „Bleibe mit uns!“ Erst nach der Verlesung des offiziellen Kommuniques aus dem Vatikan beruhigte sich die Lage in der Kirche wieder. Primas Glemp konnte mit der Messe fortfahren, an der unter anderem Staatspräsident Lech Kaczynski teilnahm.

Glemp verteidigte seinen verhinderten Nachfolger in der Predigt mit scharfen Worten. „Heute wird über Erzbischof Wielgus ein Gericht gehalten. Was für ein Gericht ist das?! Auf Grund von Papierwischen und Dokumenten, die drei mal kopiert wurden? Wir wollen solche Gerichte nicht“, rief der langjährige Warschauer Erzbischof unter dem Beifall der Gläubigen aus. Er verglich Wielgus sogar mit dem Apostel Petrus, der Jesus betrogen und abgeleugnet hatte. Jesus habe aber zu Petrus gesagt: „Geh und hüte meine Schafe!“

Schon in der Früh hatten sich hunderte Menschen vor der Kathedrale versammelt. Die Gegner seiner Ernennung hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Non possumus“ („Wir können nicht“) hoch. Es ist ein Zitat des polnischen Kardinals Stefan Wyszynski, der 1953 eine Ernennung von Bischöfen durch die kommunistischen Machthaber abgelehnt hatte.

Benedikt hatte Wielgus am 6. Dezember zum Nachfolger des erklärten Antikommunisten Glemp in der Erzdiözese Warschau bestimmt. Nachdem ihn eine Untersuchungskommission der polnischen Kirche aber der Spionage während der kommunistischen Ära Polens beschuldigte, räumte Wielgus am Freitag öffentlich seine Geheimdiensttätigkeit ein. Am Samstag bat er die Gläubigen in einem Hirtenbrief um Vergebung und legte sein Schicksal in die Hände des Papstes. Offiziell hatte Wielgus am Freitag seinen neuen Posten angetreten. Am Sonntag hätte seine Amtsübernahme im Rahmen einer Zeremonie besiegelt werden sollen.

Kommentatoren sprachen vom größten Skandal innerhalb der polnischen Kirche seit dem Ende der Sowjetunion und bezeichneten den Rücktritt des Erzbischofs als Präzedenzfall. Erstmals habe die Kirche öffentlichem Druck der Gläubigen nachgegeben. Der ehemalige Oppositionelle Pater Tadeusz Isakowicz-Zaleski aus Krakau äußerte die Erwartung, dass die Kirche nun offener mit ihrer kommunistischen Vergangenheit umgehen werde.

Wielgus räumte ein, mit dem Geheimdienst gesprochen zu haben. Er habe aber weder über andere berichtet noch absichtlich jemanden schaden wollen. Medienberichten zufolge hat er den Geheimdienst seit Ende der 1960er Jahre zwei Jahrzehnte lang über andere Geistliche informiert. Aus dem Vatikan hatte es noch am Freitag geheißen, man habe auch in Kenntnis seiner persönlichen Vergangenheit volles Vertrauen in Wielgus.

Der Entscheidung über den Rücktritt von Wielgus waren offenbar nächtliche Krisengespräche der Kirche sowie von staatlichen und kirchlichen Stellen vorausgegangen. Die Angelegenheit ist auch für die rechtskonservative Regierung äußerst unangenehm. Staatspräsident Kaczynski und sein Zwillingsbruder Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski sind nämlich ebenso strenggläubig wie stramm antikommunistisch. Die Kirche bildete gemeinsam mit der freien Gewerkschaft Solidarnosc die Speerspitze der pro-demokratischen Opposition gegen die kommunistischen Machthaber. Beim Fall des Kommunismus in Polen 1989 spielte Papst Benedikts polnischer Vorgänger Johannes Paul II. eine bedeutende Rolle.

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