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Erdogan am Brandort in Ludwigshafen erwartet

Für heute wird der türkische Ministerpräsident Erdogan in Ludwigshafen erwartet. Nun ist bekannt geworden, dass drei Tage vor dem verheerenden Feuer Branddrohungen bei türkischen Bewohnern eingegangen sind.

“Jetzt seid ihr dran, wir fackeln euch ab”, habe ein unbekannter Anrufer gesagt, meldeten mehrere türkische Zeitungen am Donnerstag übereinstimmend.

Türkische Reporter sprachen in Ludwigshafen mit dem zwölfjährigen Ibrahim Ö. der Zeuge des bei seiner Mutter eingegangenen Drohanrufes gewesen sei. Ibrahims Familie ist laut den Berichten mit den Kaplans verwandt, deren Haus bei dem Brand am Sonntag zerstört worden war. Seine eigene Familie habe nach dem Anruf ihr Haus abgesichert, sagte Ibrahim den Zeitungsberichten zufolge. “Drei Tage später brannte das Haus unserer Verwandten”, sagte der Bub weiter.

Für die türkischen Medien, die ohnehin von einem Brandanschlag in Ludwigshafen ausgehen, sind die Berichte über den Drohanruf ein weiteres Indiz für die Annahme, dass Neonazis für den Tod von neun Menschen bei dem Feuer verantwortlich waren. Auch der Fund von Nazi-Parolen an dem ausgebrannten Haus seien ein Hinweis auf die Täterschaft von Rechtsextremisten, hieß es in einigen Blättern. “Sie schrieben ‘Hass’ und legten Feuer”, titelte die regierungsnahe Zeitung “Yeni Safak”, die wie schon in den vergangenen Tagen ein Hakenkreuz auf ihrer Titelseite abbildete.

Auch ungute Erinnerungen an den Fall Marco W. werden in den türkischen Medien wach. Seltsam, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr so vehement für den Jugendlichen in türkischer Untersuchungshaft einsetzte, es diesmal aber nicht einmal schaffe, ein Beileidstelegramm an ihren türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan zu schicken, wetterte der einflussreiche konservative Kolumnist Oktay Eksi in der “Hürriyet”. Wenn in der Türkei neun Deutsche ums Leben gekommen wären, würden deutsche Politiker mit Sicherheit fordern, die Türkei nicht in die EU zu lassen, bis die Schuldigen bestraft seien, schrieb Eksi.

Während Eksi seinem Ärger freien Lauf ließ, fuhr seine eigene Zeitung eine vorsichtigere Linie. “Hand in Hand für die Menschlichkeit”, titelte “Hürriyet” und brachte ein Foto, das den türkischen Staatsminister Said Yazicioglu und die deutsche Integrationsministerin Maria Böhmer Hand in Hand vor der Brandruine in Ludwigshafen zeigte.

Vor seiner Abreise nach Deutschland betonte auch Ministerpräsident Erdogan am Donnerstag, dass er mit der Zusammenarbeit mit den Deutschen sehr zufrieden sei und dass es keinerlei Spannungen zwischen beiden Ländern gebe. Er werde sich in Deutschland die Probleme der dort lebenden Türken anhören und mit Merkel darüber sprechen, sagte Erdogan, der noch am Donnerstag am Brandort in Ludwigshafen erwartet wurde.

Erdogan und sein Minister Yazicioglu sind bei weitem nicht die einzigen türkischen Politiker, die nach dem Brand von Ludwigshafen ihr Engagement für die in Deutschland lebenden Türken zeigen wollen. So will auch die Oppositionspartei CHP eine Delegation in die Bundesrepublik entsenden. Der Menschenrechtsausschuss des türkischen Parlamentes will im Rahmen einer seit längerem geplanten Deutschland-Reise ebenfalls die Brandstelle in Ludwigshafen besuchen. Angesichts der zahlreichen Besuche von westeuropäischen Menschenrechtsdelegationen in der Türkei in den vergangenen Jahren dürfte die Visite der Menschenrechtler von vielen Türken mit einer gewissen Genugtuung verfolgt werden.

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