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"Erbschleicher" oder "Frauenversteher"?

Banker soll sich fünf Millionen Euro „erschlichen“ haben: Prozess - Staatsanwalt spricht von Betrug und Untreue - Angeklagter beteuert, Witwe eines reichen Anwalts habe ihn „fürstlich beschenkt“.

Als mutmaßlicher „Erbschleicher“ musste sich am Donnerstag ein inzwischen pensionierter Wiener Bankangestellter vor einem Schöffensenat im Straflandesgericht (Vorsitz: Johannes Jilke) verantworten. Er soll sich als stellvertretender Filialleiter eines Geldinstituts im Lauf der Jahre das Vertrauen der Witwe eines reichen Anwalts gesichert haben, was sich vor allem für ihn bezahlt machte:

Mindestens fünf Millionen Euro brachte ihm laut Anklage der angeblich „gute Draht“ zu der Witwe ein.

Staatsanwalt: Alte Dame „abgezockt“

Staatsanwalt Bernd Jungnikl spricht von Untreue und Betrug, der mittlerweile 69 Jahre alte Mann habe die alte Dame „abgezockt“. Der Banker weist das entschieden zurück: Er habe sich in all den Jahren um die allein stehende Frau gekümmert, sei täglich mit ihr essen gegangen, habe ihr Vermögen verwaltet bzw. seinen Bruder darum gebeten, sie sogar zur Hochzeit seiner Tochter eingeladen. Dafür sei er „fürstlich beschenkt“ worden.

Der Fall kam ins Rollen, als die damals 83-jährige Witwe im Jahr 2002 in verwirrtem Zustand vor ihrer Villa aufgegriffen wurde. Die Polizei brachte die herunter gekommen wirkende Frau zurück ins Haus, wo man feststellte, dass dort Einrichtungsgegenstände – darunter wertvolle Gemälde – fehlten. Eine Nichte der Witwe wurde verständigt, die bemerkte, dass auch kostbarer Schmuck und Sparbücher nicht mehr da waren. Wie sich heraus stellte, gehörte selbst die Villa nicht mehr der Witwe – sie hatte diese ebenso wie ihr Vermögen „ihrem“ Bankangestellten überlassen.

“Ich hab’ viel geleistet für sie!”

Ob freiwillig oder ob ihr dieser den Besitz „abgeluchst“ hatte, muss nun das Gericht klären. Dass die Witwe in der Zwischenzeit gestorben ist, erleichtert diese Aufgabe nicht gerade. Der von Verteidiger Rudolf Mayer vertretene Angeklagte beteuert jedenfalls seine Schuldlosigkeit: „Ich hab’ viel geleistet für sie! Sie hat mich praktisch sehr beschäftigt.“ Immer schon habe sie versprochen, dass er dafür ihr Erbe bekommen werde: „Sie war sehr zufrieden mit meiner Betreuung. Sie hat ja sonst kaum Freunde gehabt.“

Der Ehemann der Frau hatte zu seinen Lebzeiten erfolgreich Prozesse gegen die Bundesrepublik Deutschland geführt. In zahlreichen Entschädigungsverfahren vertrat der Anwalt jüdische Opfer des NS-Regimes und erstritt ansehnliche Summen, was sich in seinen Honoraren niederschlug. Als er starb, ließ die Witwe auch andere an seinem Vermögen teilhaben.

1,5 Mrd. Schilling an Israel

„Sie hat dem Staat Israel 1,5 Milliarden Schilling geschenkt. Das ist die größte Schenkung, die eine Privatperson je Israel gemacht hat! Der damalige Premier Rabin hat ihr ein Dankesschreiben geschickt, Teddy Kollek hat sie besucht und sich persönlich bedankt“, wusste der Verteidiger.

Diese Großzügigkeit habe auch der Bankangestellte zu spüren bekommen. „Nehmen Sie sich, was Sie brauchen“, soll sie etwa gesagt haben, als dieser seinen Dachboden ausbauen ließ. Schließlich habe sie ihm ihr gesamtes Barvermögen übergeben, erzählte der Banker: „Sie wollte mit dem Geld nichts mehr zu tun haben.“

Keine schriftliche Vereinbarung

Allerdings gibt es darüber keinerlei schriftliche Vereinbarungen oder sonstige Aufzeichnungen – etwa einen Schenkungsvertrag – , die diese Behauptung belegen könnten. Und als die Nichte der Witwe auf den Plan trat und zumindest die Villa zurück verlangte, kam ihr der Bankangestellte zwar zum Schein entgegen, indem er sich notariell dazu verpflichtete.

Allerdings löste er kurz danach sämtliche Konten auf, wo die noch vorhandenen Mittel „geparkt“ waren, und versteckte 250.000 Euro in einer Putzdose im Haus seiner Tochter. „Ich habe gespürt, dass irgendwas im Busch ist“, versuchte er nun die nahe liegende Vermutung zu zerstreuen, er habe vielleicht doch kein so reines Gewissen gehabt.

Das Verfahren, in dem die Anklagebehörde den Bruder und den Sohn des Bankers als Mitwisser mitangeklagt hat, wurde zur Ladung von Zeugen und Beiziehung von Sachverständigen auf unbestimmte Zeit vertagt.

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