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Erbschaftsstreit: 57-jährige Wienerin terrorisierte Schwester und Nichte

Der Tatbestand konnte nachgewiesen werden, verurteilt wurde die 57-Jährige jedoch nicht.
Der Tatbestand konnte nachgewiesen werden, verurteilt wurde die 57-Jährige jedoch nicht. ©Wikimedia Commons/ Friedrich Böhringer
Nach einer Erbschaft hatte eine 57-jährige Wienerin das Gefühl, ihre Schwester und Nichte seien bevorzugt worden. In über 300 Emails bezichtigte sie sie der Erbschleicherei. Am Mittwoch begann der Prozess am Straflandesgericht.

Wegen beharrlicher Verfolgung hatte sich eine 57-jährige Wienerin am Mittwoch im Straflandesgericht zu verantworten. Die Pensionistin macht seit mehreren Jahren ihrer im gegenüber gelegenen Stiegenhaus wohnhaften Schwester sowie ihrer Nichte das Leben zur Hölle, indem sie einerseits behauptet, in einer Erbschaftsangelegenheit ausgebootet worden zu sein.

Andererseits ist die Frau nicht davon abzubringen, bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten darzulegen, ihre Nichte habe in Wahrheit einen anderen als auf der Geburtsurkunde angegebenen Vater.

Wienerin nach dem Stalking-Paragrafen angezeigt

Nachdem die Schwester zwischen September 2011 und März 2012 über 300 E-Mails erhalten hatte, in denen sie der Erbschleicherei bezichtigt und als “Diebin” beschimpft wurde, erstattete diese Anzeige nach dem Stalking-Paragrafen. “Ich bin sechs Jahre jünger als sie. Ich war schon als Kind ihren Launen und Erziehungsmaßnahmen ausgesetzt”, klagte die Schwester nun Richterin Karin Beber ihr Leid. Sie habe “nie etwas gestohlen”, nach dem Tod ihres Vaters nicht dessen Testament manipuliert und grundsätzlich nichts an sich genommen, was ihr nicht gehöre.

“Es ist offensichtlich, dass meine Schwester mich von Kindheit an nicht mag. Sie hat immer wieder gegen mich opponiert. Als der Vater gestorben ist, wollte sie anscheinend das Geld anderweitig verwenden”, gab demgegenüber die Angeklagte zu Protokoll. Aus dem Testament sei eine Seite entfernt worden, was sie veranlasst habe, schriftlich mit ihrer Schwester Kontakt aufzunehmen: “Gutmütig hab’ ich versucht, das denen klarzumachen.” “Und in Ihrer Gutmütigkeit haben Sie 300 E-Mails geschrieben”, warf die Richterin ein. “Ich bin leider a Häferl, was soll ich machen”, entgegnete die 57-Jährige.

Angeklagte versteht die Aufregung ihrer Schwester nicht

Obwohl die Schwester ihr einen Anwaltsbrief zukommen ließ und die 57-Jährige darin aufgefordert wurde, weitere Kontaktaufnahmen zu unterlassen, stellte sie ihre zumindest streckenweise bösartigen Mails nicht ein. “Wenn man E-Mails nicht will, lösch ich es oder blockier’ es und aus ist”, wunderte sich die Angeklagte, weshalb ihr das zum Vorwurf gemacht wurde.

Davon abgesehen soll es aber immer wieder auch zu Verbalattacken gekommen sein, indem die 57-Jährige bei zufälligen bzw. “abgepassten” Begegnungen im Innenhof die Schwester oder die Nichte beflegelte. Immer wieder rief sie der 25-Jährigen zu, sie stamme nicht von ihrem vorgeblichen Vater ab, was die 57-Jährige auch noch betrieb, nachdem ein DNA-Gutachten eines Genlabors die Vaterschaft bestätigt hatte.

85-Jährige Mutter wurde als Zeugin geladen

Es sei auch gar nicht ihre Art, aus dem Fenster zu brüllen. Zum Beweis für ihre Schuldlosigkeit beharrte sie auf der Einvernahme ihrer hochbetagten Mutter, die sie extra mit ins Graue Haus genommen hatte.

“Es ist dort immer Frieden gewesen”, schilderte die 85-Jährige die familiären Lebensumstände. Dann jedoch sei die angeklagte Tochter um ihr Erbteil gebracht worden: “Ich bin 85 und möchte nicht sterben im Wissen, dass meine arme Tochter betrogen wurde.”

Keine Verurteilung trotz nachgewiesenem Tatbestand

Am Ende des umfangreichen Beweisverfahrens stand für die Richterin zweifelsfrei fest, dass der inkriminierte Tatbestand erfüllt wurde. Im Hinblick auf ihr vorgerücktes Alter und ihre bisherige Unbescholtenheit bot sie der Angeklagten eine Diversion an, die die 57-Jährige annahm. Sie verpflichtete sich, der Schwester keine Mails mehr zu schreiben und ihr auch keine wüsten Schimpfworte mehr zuzuwerfen. Im Gegenzug entging sie einer Verurteilung. Die gerichtliche Weisung, sich zukünftig unaufhältig zu verhalten, gilt für zwei Jahre. Sollte es in dieser Zeit wieder zu Vorfällen kommen, kann das Strafverfahren wieder aufgenommen werden.
(APA)

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