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Entwurf zu Kopftuchverbot stößt auf Kritik

Wird Kopftuchverbot Realität?
Wird Kopftuchverbot Realität? ©APA/HERBERT NEUBAUER (Symbolbild)
Justizministerium, Religionsvertreter und rote Lehrervertreter kritisieren den Entwurf zum Kopftuchverbot für Mädchen bis zur achten Schulstufe.
Plakolm optimistisch
Lehrervertreter kritisierten Pläne
Einigung auf Kopftuchverbot

Schon 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein unter Schwarz-Blau beschlossenes Verbot in der Volksschule gekippt, weil eine nur auf Muslime abzielende Regelung dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates widerspreche. Laut Stellungnahme des Ressorts ist auch bei der neuen Regelung fraglich, ob sie hält.

Nötig wäre eine geschlechts- und religionsneutrale Formulierung, die nicht ausschließlich auf das islamische Kopftuch abzielt, betont das Justizministerium. "Ansonsten läuft der Entwurf wiederum Gefahr, am Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B-VG zu scheitern."

Worum handelt es sich bei "ehrkultureller Verhaltenspflicht"

Bei dem Gesetzesentwurf werde zwar versucht, auf die Bedenken des VfGH von 2020 einzugehen, und das Kopftuch nur unter der Voraussetzung verboten, dass es als Ausdruck einer "ehrkulturellen Verhaltenspflicht" getragen wird. Was das sein soll, werde aber weder im Gesetzestext, noch in den Erläuterungen klar definiert - dementsprechend schwierig wäre der Vollzug. Außerdem geht das Verbot davon aus, dass nur Bekleidung von Mädchen als "Ausdruck einer ehrkulturellen Verhaltenspflicht" verstanden werden kann.

Das Ministerium bemängelt zudem, dass in der Wirkungsfolgenabschätzung keinerlei gesicherte Zahl der Betroffenen steht und dass es offenbar keine Konsultationen mit der betroffenen Gruppe von Kindern und Jugendlichen gegeben hat. Ebenfalls fraglich sei, ob es den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt, wenn als "Zielzustand" angegeben wird, dass zukünftig in der Schule keine Mädchen ein Kopftuch nach islamischer Tradition tragen sollen - "und nicht etwa: Diskriminierung oder Kindeswohlverletzungen hintanzustellen bzw. zu vermeiden".

Es gebe auch keine Rechtfertigung dafür, dass die Regelung unabhängig von der unterschiedlichen Reife und Entwicklung auch für Mädchen von sechs bis 14 Jahren gelten soll und wieso die seit dem Schuljahr 2024/2025 verpflichtend geltenden Kinderschutzkonzepte an den Schulen nicht zu deren Schutz ausreichen. Der vorgeschlagene Gesetzestext sei auch keine ausreichende Grundlage für die Sanktionierung des "Kopftuchverbots" mit Verwaltungsstrafen bis maximal 1.000 Euro, weil darin weitere "neu zu schaffenden Verwaltungsstraftatbestände" erwähnt, aber noch nicht konkret ausgeführt werden. Ein Gesetzesentwurf, der inhaltlich nicht voll beurteilt werden kann, widerspreche der Qualitätssicherung in der Gesetzgebung.

Kritik von Islamischer Glaubensgemeinschaft

Vor allem inhaltliche Kritik kommt von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) und der Alevitischen Glaubensgemeinschaft. Für die IGGÖ läuft die geplante Regelung "den verfassungsmenschenrechtlichen Garantien der Religionsfreiheit, der Gleichbehandlung und Elternrechts auf religiöse Erziehung" zuwider und widerspricht der Rechtsprechung des VfGH, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die Regelung diskriminiere eine bestimmte Bevölkerungsgruppe und schütze weder das Kindeswohl noch fördere es die Selbstbestimmung von Mädchen. Stattdessen würden dadurch religiös bekleidete Schülerinnen aus dem regulären Unterricht faktisch ausgeschlossen oder in Konflikt mit ihrer religiösen Überzeugung gebracht. Die Beurteilung, ob das Tragen eines Kopftuchs Ausdruck von "Ehre" oder "Zwang" sei, sei außerdem nicht mit der staatlichen Neutralität vereinbar.

Das Kopftuch stelle für Alevitinnen zwar keine religiöse Pflicht dar und werde gegebenenfalls aus kulturellen oder ländlich traditionellen Gründen getragen, wird in der Stellungnahme der Glaubensgemeinschaft betont. Ein Verbot des Symbols einer einzelnen religiösen Gruppe stelle diese jedoch unter Generalverdacht. Aus der Vergangenheit wisse man außerdem, dass sowohl Kopftuchverbot als auch -pflicht zu gesellschaftlichen Gegenbewegungen führen und fundamentalistische Tendenzen gerade erst bestärken können. In der Praxis bringe das Verbot ein Risiko von Missverständnissen, Stigmatisierung und Vertrauensverlust zwischen Schülerinnen, Eltern und der Schule.

Auch die Arbeiterkammer (AK) verweist in ihrer Stellungnahme auf das VfGH-Urteil: Im aktuellen Gesetzesentwurf werde zwar versucht, gegenüber dem vom Höchstgericht damals aufgehobenen Gesetzestext differenzierter zu argumentieren und eine neue Zielsetzung, nämlich das Kindeswohl bzw. Selbstbestimmung und Schutz vor familiärem Zwang, zu etablieren bzw. das Verfahren mehrstufig zu gestalten. Im Kern bleibe aber ein selektives Verbot von Kopftüchern, das ausschließlich muslimische Mädchen betreffe. "Die neue Zielsetzung ändert nichts am grundlegenden Problem: Staatlicher Zwang ist kein geeignetes Mittel, um Selbstbestimmung zu stärken - und bleibt damit weiterhin unverhältnismäßig."

Diskriminierung durch Kopftuchverbot befürchtet

Insgesamt wurden bisher über 400 Stellungnahmen abgegeben, der überwiegende Teil von Privatpersonen. Von Institutionen wie der Evangelischen Kirche, den Freikirchen oder der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen und der Gleichbehandlungsanwaltschaft wurde dabei etwa eine Diskriminierung durch das Kopftuchverbot befürchtet, die SPÖ-nahen Lehrervertreter sehen eine "krasse Themenverfehlung" beim Ziel, das Kindeswohl zu fördern. Die Pflichtschullehrergewerkschaft begrüßt den Entwurf grundsätzlich in seiner Zielsetzung, die Selbstbestimmung von Schülerinnen zu stärken. Dadurch dürften jedoch keine "zusätzlichen Belastungen" für Schulen entstehen.

(APA/Red)

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