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Entscheidung um Arafats politisches Überleben

Der Machtkampf zwischen Palästinenserpräsident Yasser Arafat und seinem Regierungschef Mahmud Abbas strebt am Donnerstag einem neuen Höhepunkt zu.

Vor dem palästinensischen Parlament will Abbas Rechenschaft über seine bisherige Amtszeit ablegen und möglicherweise die Vertrauensfrage stellen. Falls ihm die Abgeordneten die Zustimmung versagen, wäre das der Sturz der Regierung.

Mehr als 200 palästinensische Persönlichkeiten aus Politik und öffentlichem Leben haben die beiden Kontrahenten zum Schulterschluss aufgerufen. In einer von palästinensischen Zeitungen veröffentlichten Petition forderten sie Abbas und Arafat auf, ihren Streit beizulegen und sich auf den Kampf gegen die israelische Besatzungsmacht zu konzentrieren.

Unterzeichnet haben die Petition unter anderen der Minister für Regierungsangelegenheiten, Yasser Abed Rabbo, die Abgeordnete Hanan Ashrawi und ihr Parlamentskollege Hatim Abdul Kadar. Bisher sind alle Versuche gescheitert, Arafat und Abbas miteinander zu versöhnen.

Parlamentspräsident Ahmed Korei sagte in einem Interview mit der regierungsnahen palästinensischen Zeitung „El Ayam“, der Konflikt sei „nicht mehr hinzunehmen“. Er habe sich mittlerweile derart zugespitzt, dass eine Zusammenarbeit der beiden Spitzenpolitiker nicht mehr möglich sei. Der Konflikt könne nur ausgeräumt werden, wenn Arafat und Abbbas sich zur Zusammenarbeit bereit erklärten. Der in der Palästinenserführung als dritter Mann nach Arafat und Abbas geltende Korei hatte bisher versucht, die Rolle des Vermittlers zu spielen.

Führungsmitglieder und Abgeordnete der von Arafat geführten Fatah-Bewegung, die der Präsident zusammen mit Abbas in den 60er Jahren gründete, sprechen bereits von der Entscheidungsschlacht um Arafats Überleben, deren Ausgang ein neues Kapitel in der Geschichte der palästinensischen Politik eröffnen werde. Im Mittelpunkt des Konflikts steht der Kampf um die Kontrolle der palästinensischen Sicherheitsdienste, der auch das Parlament auf seiner Sitzung beschäftigen dürfte.

Abbas möchte die Kontrolle über sämtliche Sicherheitsdienste der Palästinensischen Autonomiebehörde übernehmen, zu denen unter anderem auch Arafats Elitetruppe Force 17 gehört. Über seinen Sicherheitschef Mohammed Dahlan kontrolliert Abbas derzeit lediglich drei der insgesamt zwölf Sicherheitsdienste. Die Umstrukturierung des Sicherheitsapparats und dessen personelle Neubesetzung ist eine der Hauptforderungen des Nahost-Quartetts aus UNO, USA, EU und Russland. Doch entsprechenden Bemühungen von Abbas legt Arafat im Interesse der eigenen Machtsicherung immer wieder Steine in den Weg.

Zuletzt ernannte Arafat den früheren Sicherheitschef im Westjordanland, Jibril Rajoub, zu seinem Sicherheitsberater und zum stellvertretenden Vorsitzenden eines als Gegengewicht zu Abbas und Dahlan geplanten Nationalen Sicherheitsrats, dessen Vorsitz der Palästinenserpräsident selbst führen will.

Die US-Regierung hat bereits gegen Rajoubs Ernennung protestiert und erklärt, dadurch werde der Kampf gegen palästinensische Extremisten zurückgeworfen. Doch Arafat will in der Frage der Sicherheitsdienste nicht zurückstecken, wie der ihm nahe stehende Abgeordnete Hatem Abdelkader erklärt. Der Palästinenserpräsident sei jedoch bereit, die Frage dem Parlament zur Entscheidung vorzulegen. Dass die USA Abbas offen gegen Arafat unterstützen, ist für das Arafat-Lager ein weiterer Beweis für Washingtons Absicht, den seit 20 Monaten von der israelischen Armee in seinem Hauptquartier in Ramallah belagerten Palästinenserpräsidenten vollends kalt zu stellen.

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