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England-Krawalle: Streit zwischen Regierung und Polizei

Nachdem sich die Lage in Großbritannien nach tagelangen Krawallen zu beruhigen scheint, ist nun ein offener Streit zwischen der Regierung und der Polizeibehörde Scotland Yard ausgebrochen.
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Wieder brennende Häuser in London

Hugh Orde, ein ranghoher Polizeibeamter, bezeichnete die Rolle der Politiker bei der Unterdrückung der Gewalt als “irrelevant“. Unterdessen ist die Zahl der Todesopfer nach den Unruhen auf fünf gestiegen. Ein 68 Jahre alter Mann starb in der Nacht auf Freitag an seinen schweren Verletzungen. Die Polizei nahm einen 22-Jährigen unter Mordverdacht fest, wie sie am Freitag mitteilte. Mit mobilen Leinwänden wird nun nach mutmaßlichen Randalierern gesucht.

“Alle wichtigen Entscheidungen von Polizei getroffen”

Laut der Zeitung “Daily Telegraph” schlug sich auch der Londoner Polizeichef Tim Godwin auf die Seite seines Kollegen Orde. Alle wichtigen Entscheidungen seien von der Polizei getroffen worden, so Godwin. Mit Blick auf Premierminister David Cameron und Innenministerin Theresa May sagte er, die Kritik komme von Leuten, die zum fraglichen Zeitpunkt “nicht da” waren. Der Premierminister und seine Innenministerin waren bei Ausbruch der Ausschreitungen im Urlaub. Cameron kritisierte am Donnerstag, dass zu Beginn der Krawalle in den Nächten auf Sonntag und Montag seien “bei weitem zu wenig” Polizisten im Einsatz gewesen. Auch die Taktik der Behörden hatte er infrage gestellt.

Ähnlich wie der Londoner Bürgermeister Boris Johnson lobte Godwin die Polizeiarbeit während der Ausschreitungen. “Wir haben einige der besten Polizeichefs, die ich auf der Welt gesehen habe“, sagte Godwin. “Als Ergebnis daraus konnten wir das nach ein paar Tagen im Keim ersticken“, betonte er. Bei der Auswahl der Taktik und der Zahl der Polizisten handle es sich um “Entscheidungen der Polizei“, betonte Godwin.

In der Nacht auf Freitag blieb es dank eines weiterhin massiven Polizeieinsatzes überall ruhig. In London waren erneut 16.000 Polizisten im Einsatz.

Ein 68-jähriger Pensionist, der am Montag im Londoner Stadtteil Ealing attackiert worden war, als er ein Feuer löschen wollte, erlag indes seinen schweren Kopfverletzungen. Wie die Polizei mitteilte, ist daraufhin ein 22-Jähriger wegen Mordes, Diebstahls und Randale festgenommen worden. Im Fall von drei während der Krawalle ums Leben gekommenen Männern in Birmingham nahm die Polizei drei Tatverdächtige fest, darunter einen 16-Jährigen.

Gerichte arbeiten im Schnellverfahren: Über 1000 Festnahmen

Die Gerichte arbeiten unterdessen weiterhin rund um die Uhr. Auch in Birmingham und Manchester wurden Schnellverfahren gegen Randalierer abgewickelt. Allein in London wurden seit Beginn der Unruhen am Samstag mehr als 1.000 Menschen festgenommen. Hinzu kommen mehr als 500 in anderen Städten des Landes.

Randalierer mit mobilen Leinwänden gesucht

Um möglichst viele Randalierer zu identifizieren, setzt die Polizei inzwischen auf mobile Leinwände. Über den sechs Quadratmeter großen Bildschirm, der auf einem Kleinbus befestigt ist, suchen die Ermittler mit Hilfe von Bildern aus Überwachungskameras nach Verdächtigen. Am Freitag war das Fahrzeug in Birmingham unterwegs, wo es an mehreren öffentlichen Plätzen Station machte. In der zweitgrößten britischen Stadt sollen so in den nächsten Tagen abwechselnd mehr als 50 Aufnahmen der Gesichter von mutmaßlichen Krawallmachern gezeigt werden. Die Resonanz in der Bevölkerung sei “großartig“, erzählte ein ranghoher Beamter. Es seien bereits über 500 Hinweise eingegangen.

Camerons Vorstoß, den Gewalttätern den Zugang zu sozialen Medien wie Facebook und Twitter sperren zu lassen, löste indes heftige Diskussionen aus. Die Dienste wurden genutzt, um sich für Randale zu verabreden. Eine Sperre ist aber unter Experten höchst umstritten. Camerons Vorstoß sei, wenn er damit ernst mache, eine “fundamentale Wende” im Umgang der britischen Regierung mit dem Internet, sagt der auf Netzmedien spezialisierte Londoner Anwalt Steve Kuncewicz. Ein Deal “zwischen Politik und Netzwerkbetreibern“, wie er Cameron offenbar vorschwebe “könnte am Ende zur Erosion des Rechts auf freie Meinungsäußerung führen.” (APA)

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