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Fall Wague: Chronologie der Ereignisse

Tödliche Amtshandlung am 15. Juli 2003 - Sanitäter und Notarzt kurz darauf suspendiert - Polizisten vom Innenminister verteidigt.

Es war deutlich nach Mitternacht, als der 33-jährige Mauretanier Cheibani Wague am 15. Juli 2003 im Zuge einer Amtshandlung im Wiener Stadtpark ums Leben kam. Die polizeiliche und strafgerichtliche Aufarbeitung hat einige Zeit benötigt. Annähernd zwei Jahre und vier Monate sind vergangen, ehe die Causa heute, Mittwoch, zumindest in erster Instanz erledigt werden konnte. Im Folgenden eine Chronologie der Ereignisse.

15. Juli 2003: Die Polizei wird um 00.40 Uhr vom Leiter des so genannten Afrikadorfes in den Stadtpark gerufen, weil der dort als Nachwächter beschäftigte, aus Mauretanien stammende Cheibani Wague nach einem heftigen Streit nicht zu beruhigen ist. Beim Eintreffen der Beamten und eines Rettungswagens – die Einsatzkräfte gehen von einer „tobenden Psychose“ aus – scheint sich die Situation zunächst zu entschärfen. Als Wague jedoch unvermutet aus dem Rettungswagen springt und davon laufen will, wird er von sechs Beamten und drei Sanitätern minutenlang mit bereits gefesselten Händen in Bauchlage am Boden fixiert. Der anwesende Notarzt schreitet nicht ein. Ein Herz-Kreislauf-Versagen ist die Folge. Im Spital, in das Wague Spital eingeliefert wird, wird sein Tod festgestellt.

18. Juli 2003: Die Wiener Rettung suspendiert die beteiligten Sanitäter und den Notarzt. Ein von einem Anrainer aus einer Entfernung von rund 250 Meter mitgeschnittenes Video taucht auf, das den reglos am Boden liegenden Wague zeigt. Mehrere Uniformierte stehen um ihn bzw. auf ihm, der Notarzt mit den Händen in den Hosentaschen daneben. Es wird keine Erste Hilfe geleistet. Als Wague später auf eine Bahre gelegt werden soll, fällt der offenbar Bewusstlose zu Boden.

19. Juli 2003: Das Innenministerium übernimmt die Ermittlungen.

22. Juli 2003: Eine im Afrikadorf errichtete Gedenkstätte, die an Wague erinnern soll, fällt einem nächtlichen Brandanschlag zum Opfer. Die Täter werden nie ausgeforscht. Das Stadtgartenamt verlangt dafür später von den Betreibern eine Entschädigung für sechs verbrannte Bäume, wird aber von der Wiener Umweltstadträtin Isabella Kossina (S) „zurück gepfiffen“.

Die beteiligten Polizisten versehen unterdessen wieder Dienst. Die Bundespolizeidirektion Wien hält in einer Aussendung fest: „Nach erfolgter Beruhigungsspritze hatten die Beamten keinen Grund anzunehmen, dass sich Cheibani Wague in Lebensgefahr befand. Dies insbesondere, da er kurz vorher noch äußerst aktiv war. Auf Grund der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erscheint eine Suspendierung zum gegenständlichen Zeitpunkt nicht aufrecht zu erhalten.“

Das Austrian Network Against Racism (ANAR, österreichisches Netzwerk gegen Rassismus) fordert den Rücktritt von Innenminister Ernst Strasser (V), der sich vor die Polizisten stellt und vor einer „Vorverurteilung“ warnt: Die Beamten hätten „entsprechend den Vorgaben gehandelt und sich der Situation angepasst verhalten“.

Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt Vorerhebungen wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen. Ermittelt wird vorerst gegen unbekannte Täter.

26. September 2003: Die Staatsanwaltschaft nimmt bei ihren Ermittlungen mit dem Notarzt erstmals eine konkrete Person ins Visier. Seine Suspendierung wird wenig später aufgehoben, er wird allerdings in den Innendienst versetzt.

11. November 2003: Der Gerichtsmediziner Daniele Risser legt sein Gutachten vor. Demnach ist Cheibani Wague an einem „nicht beherrschbaren Kreislaufversagen“ gestorben. Risser verweist auf einen angeborenen Herzklappenfehler des Mauretaniers. Um die genaue Todesursache festzustellen, hält die Staatsanwaltschaft weitergehende Untersuchungen eines Notfallmediziners für notwendig.

29. Jänner 2004: Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) in Wien erklärt die tödlich verlaufende Amtshandlung für rechtswidrig. Dass Wague mit auf dem Rücken gefesselten Händen minutenlang in Bauchlage fixiert wurde, stuft der UVS als nicht gerechtfertigt und damit als nicht gesetzeskonform ein.

16. April 2004: Die Staatsanwaltschaft konkretisiert ihre Vorerhebungen auf vier Polizisten und den Notarzt, gegen den schon seit über einem halben Jahr ermittelt wird.

29. April 2004: Der beim Innenministerium eingerichtete Menschenrechtsbeirat präsentiert seinen Bericht zum Fall Wague. Darin wird unter anderem bemängelt, man habe dem Phänomen des lagebedingten Erstickungstodes in den Schulungsmaßnahmen der Exekutivbeamten bisher nicht ausreichend Beachtung geschenkt.

4. Oktober 2004: Das notfallmedizinische Gutachten langt endlich bei der Anklagebehörde ein. Darauf hin wird auch gegen drei Sanitäter und zwei weitere Polizisten erhoben. Die zuständige Staatsanwältin erstellt in weiterer Folge einen Vorhabensbericht. Dieser erreicht Anfang Dezember die Oberstaatsanwaltschaft und das Justizministerium.

2. Februar 2005: Im Ministerium wird der vorgeschlagenen Anklageerhebung kein „grünes Licht“ erteilt: Die Staatsanwältin will den Notarzt, sechs Polizisten und drei Sanitäter wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen vor Gericht bringen. Ein Teil der Betroffenen ist bisher dazu aber noch gar nicht befragt worden. Das muss nachgeholt werden.

12. April 2005: Nach den ergänzenden Beschuldigteneinvernahmen wird die Anklage genehmigt.

19. Juli 2005: Im Wiener Straflandesgericht beginnt der Prozess. Den Beamten und den Sanitätern wird vorgeworfen, mit ihrem Vorgehen eine schwere Atemnot Wagues bewirkt zu haben, was zu einem Herz-Kreislauf-Versagen infolge akuten Sauerstoffmangels geführt hat. Dem Notarzt lastet die Anklage an, untätig daneben gestanden zu sein, obwohl er erkennen hätte müssen, dass sich Wague in einem lebensbedrohlichen Zustand befand. Nach drei unmittelbar aufeinander folgenden Verhandlungstagen wird das Verfahren zur Beiziehung eines intensivmedizinischen Gutachters vertagt.

4. August 2005: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bestätigt die von den Polizeibehörden bekämpfte Rechtsansicht des UVS. Die Amtshandlung war demnach rechtswidrig.

28. Oktober 2005: Der Strafprozess wird fortgesetzt. Der Intensivmediziner kommt in seinem Gutachten zum Schluss, dass Wague nicht an Herzversagen, sondern an einer „fixationsbedingten Asphyxie“ gestorben ist. „Die Ursache des Kreislaufstillstandes ist die Beeinträchtigung der Atembewegungen und die Beeinträchtigung des Blutrückflusses in das Herz“, heißt es in der Expertise. Kausal dafür waren laut Gerichtsmediziner drei Beamte, die Wague am Oberkörper, an den Armen und im Schulterbereich fixiert hatten, indem diesem unter anderem ein Knie in den Rücken gedrückt wurde.

9. November 2005: Nach insgesamt acht Verhandlungstagen geht das Strafverfahren in erster Instanz zu Ende. Der Notarzt und ein Polizist werden wegen fahrlässiger Tötung zu sieben Monaten bedingter Haft verurteilt. Die anderen Angeklagten spricht Einzelrichter Gerhard Pohnert frei.

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