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Empörung über KZ-Sager Berlusconis auch in EVP

Berlusconi verstört auch eigene Parteifamilie
Berlusconi verstört auch eigene Parteifamilie
Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl, Jean-Claude Juncker, verlangt eine Entschuldigung vom früheren italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi. Dieser hatte Deutschland vorgeworfen, die Existenz von Konzentrationslagern nie anerkannt zu haben.


“Die jüngsten Bemerkungen von Herrn Berlusconi haben mich angewidert”, sagte Juncker am Montag in Brüssel. “Ich fordere Herrn Berlusconi auf, seine Äußerungen unverzüglich zurückzunehmen und sich bei den Überlebenden des Holocaust und bei den deutschen Bürgern zu entschuldigen.”

Berlusconi hatte am Wochenende bei einer Europawahlveranstaltung seiner zur EVP-Familie gehörenden Partei Forza Italia mit deutschlandkritischen Entgleisungen für Aufsehen gesorgt. Der inzwischen wegen Steuerbetrugs verurteilte 77-Jährige griff den sozialdemokratischen EU-Spitzenkandidaten Martin Schulz scharf an, verteidigte frühere Attacken und sagte: “Ich wollte ihn nicht beleidigen, aber, um Gottes Willen, für die Deutschen haben die Konzentrationslager nie existiert.”

“Es gibt Dinge, über die man sich nicht lustig macht”, erklärte Juncker. Dies gelte in der europäischen Geschichte insbesondere für die “Gräueltaten während des Holocaust”, durch die “Millionen unschuldige Menschen” getötet wurden. Juncker nannte es zudem “inakzeptabel”, dass Berlusconi die Rolle der Deutschen während der Euro-Krise kritisiert hatte. Er würdigte die deutsche Unterstützung für die EU-Krisenstaaten.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte auf den Sager Berlusconis gegen Deutschland nicht näher eingehen. “Die Behauptungen, die da aufgestellt wurden, sind so absurd, dass die Bundesregierung sie nicht kommentiert”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Im EU-Wahlkampf klebt Berlusconis Partei außerdem Plakate mit dem Slogan “Più Italia, meno Germania” (Mehr Italien, weniger Deutschland).

Der Fraktionschef der CDU/CSU im Deutschen Bundestag, Volker Kauder, kündigte an, das Vorgehen Berlusconis in der EVP zur Sprache zu bringen. “Berlusconi muss da in die Schranken gewiesen werden”, sagte der CDU-Politiker im ZDF-“Morgenmagazin”.

Berlusconi selbst bestritt am Montag, dass er von antideutschen Gefühlen getrieben sei. “Es ist absurd, mir Ressentiments gegen Deutschland, oder gegen das deutsche Volk vorzuwerfen, mit dem ich befreundet bin”, sagte Berlusconi nach Medienangaben. “Ich bin gegen einen kontraproduktiven Sparkurs, gegen Regeln, die meiner Ansicht nach zutiefst falsch sind und ganz Europa zu einer langen Wirtschaftsstagnation verurteilen”, so der Ex-Premier nunmehr zu seiner Deutschland-Kritik. Dem luxemburgischen Ex-Premier und EVP-Spitzenkandidaten richtete er aus, Juncker sollte nicht in solche Wahlfallen tappen.

Der Medienunternehmer betonte zugleich, er sei auch ein historischer Freund des jüdischen Volkes und Israels: “Israels ist das einzige Beispiel von Freiheit und Demokratie im gesamten Nahost. Niemand kann an meiner tiefen Überzeugung rütteln.”

Auch Othmar Karas, VP-Spitzenkandidat bei der Europawahl und Vizepräsident des EU-Parlaments, distanzierte sich von Berlusconis Äußerungen: “Die Entgleisungen Berlusconis sind inakzeptabel. Sie verletzen die gemeinsamen Werte der Europäischen Volkspartei und der Europäischen Union. Solche Äußerungen haben in der EVP keinen Platz. Ich bin davon überzeugt, dass sich die große Mehrheit der Italiener von derart widerlichen Aussagen nicht locken lässt. Wer glaubt, mit dem Holocaust und den Vernichtungslagern Wahlkampf machen zu müssen, ist ein Politiker von vorgestern”, erklärte Karas am Montag in einer Aussendung. “Der Dreck, den Berlusconi wirft, trifft nur ihn selbst”, fügte er hinzu und verlangte wie Juncker eine Entschuldigung von Berlusconi.

SPE-Spitzenkandidat Schulz warf Berlusconi vor, mit seinen Äußerungen eine “Spaltung Europas” zu betreiben. Dies sei ein “Geist, der Europa immer geschadet hat”. Es sei eine “Frechheit, gegenüber Deutschland so aufzutreten”, sagte der SPD-Politiker in Berlin. “Deutschland hat sich in vorbildlicher Weise mit seiner Geschichte auseinandergesetzt.” Berlusconi hatte sich am Samstag bei der Wahlkampfveranstaltung über seine Beleidigung des Deutschen Schulz 2003 im Europaparlament geäußert. Damals hatte er diesen als ideale Besetzung für die Filmrolle eines KZ-Aufsehers bezeichnet.

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