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Elizabeth II. beherrscht das Protokoll perfekt

Die britische Königin lächelt wohlwollend, während sie einige höfliche Worte mit dem Gast wechselt. Sie stellt ein paar belanglose Fragen, lächelt weiter, hört zu.

Sie selbst verrät nicht den Schimmer einer Meinung oder eines Gefühls. Bis sie sich abwendet, vergeht keine Minute. Nichtssagender kann ein Gespräch kaum sein. Aber der Gast ist verzaubert, ehrfürchtig, dankbar. Elizabeth II., die Königin des Taktgefühls. “50 Jahre Training – das macht sie jeden Tag“, zischt ein Gast.

Rund 700 Journalisten hat die Königin jüngst zu einem Empfang auf Schloss Windsor westlich von London geladen. 700, von denen einige nicht wissen, wie man sich vor Ihrer Majestät benimmt. „Niemals richtet man das Wort an die Königin – man wartet, bis sie einen anspricht“, flüstert einer der Umstehenden. Wenn es der Königin beliebt, wird sie auf dich zukommen. Falls es ihr beliebt. Wehe, du stürzt fröhlich auf sie zu und streckst ihr die Hand entgegen. Dann werden ihre Leibwachen dich diskret beiseite schieben. Auf diesem Empfang braucht man also Glück und Geduld – und einen guten Platz.

Ein strenges Protokoll regelt den Kontakt der Königin zum Volk. Wer sich wo wem nähert und wie wer was sagt, all das wurde über Jahrhunderte zurechtgeschliffen und in der Tradition verfestigt. In der Tat hatte Elizabeth II. lange 50 Jahre Zeit, sich im Umgang mit ihren Untertanen zu üben. Die 700 Gäste auf Schloss Windsor haben es da etwas schwieriger. Auf jeden Fall daran denken: nur neutrale Gesprächsthemen. Auch die Kollegen vom „Guardian“ und dem „Daily Mirror“ kämpfen jetzt um einen guten Platz. Und dann ist es soweit, das Gespräch beginnt.

Praktischerweise muss man sich nicht überlegen, worüber man mit der Königin plaudern möchte – sie stellt die Fragen. Bei Ausländern ist es besonders einfach: Wo kommt man her, was macht man dort, wie lange ist man schon in Großbritannien, gefällt es einem hier. Dann ist die Minute vorbei, man murmelt respektvoll eine letzte Antwort – und dankt für ihre höflichen Bemerkungen. Es ist bekannt, dass selbst eingefleischte Monarchiegegner regelmäßig dem Charme der Queen erliegen.

Ganz anders verhält es sich mit ihrem Mann Prinz Philip, der für seine direkten und meist nicht sehr diplomatischen Bemerkungen bekannt ist. Auf seine Entgleisungen stürzt sich die Presse mit Vergnügen. Dieses Mal hält er sich jedoch zurück. Vor französischen Journalisten kommt er auf den rechtsextremen Jean-Marie Le Pen zu sprechen, der Frankreich mit seinem überraschenden Wahlerfolg schockierte. Hunderttausende demonstrierten seitdem in französischen Städten gegen Le Pen. „Erst gehen sie nicht zur Wahl, und dann regen sie sich über das Ergebnis auf“, sagt Prinz Philip. Er schlägt sich mit der Hand vor die Stirn, und man kann sich denken, was er damit meint.

Dann geht der Prinz weiter zu einer anderen Gruppe. Ein bekannter Nachrichtensprecher aus dem Fernsehen läuft ihm hinterher, verfängt sich aber im Teppich und kann sich gerade noch halten. Es ist acht Uhr abends. Die Gäste machen sich auf den Heimweg, beseelt von Weißwein und Champagner – und von der Begegnung mit der Queen.

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