Kammerschauspielerin Elfriede Ott, die am 11. Juni ihren 80. Geburtstag feiert, bevorzugt dafür den Computer. Auch sonst ist die Grande Dame der Wiener Volkskomödie höchst aktiv, und legte eben ihre Biografie Ich hätte mitschreiben sollen…Splitter meines Lebens (Styria) vor. Am 2. Juni hat ihr Duo-Abend mit Gerhard Bronner, Noch immer – schon wieder, im Stadttheater Walfischgasse Premiere. Im APA-Interview sprach Ott über Theater heute, Kulturpolitik und das Alter.
Wenn ich heute am Burgtheater oder Volkstheater vorbei komme, denke ich mir, wieso habe ich nicht mehr das Gefühl wie damals. Das möchte ich so gern noch einmal haben. Es ging verloren. Es liege nicht an der Routine, versicherte die vielseitige Künstlerin. Es beginnt damit, dass es eigentlich keine Ensembles mehr gibt. Junge Menschen erhalten heute keine Möglichkeit der Entwicklung.
Die gelernte Uhrmacherin Ott kam am 11. Juni 1925 als Tochter eines Goldschmiedes in Wien zur Welt. Ihre Liebe zum Theater überwog trotz elterlicher Bedenken, und 1944 debütierte sie am Burgtheater in Gerhart Hauptmanns Die goldene Harfe. Ott spielte auch in Goethes Stella, in Grillparzers Sappho oder in Shakesperaes Sommernachtstraum. Ihre Partner waren Kapazunder wie Raoul Aslan, Oskar Werner und Curd Jürgens.
Mein Theater war und ist die Josefstadt, so Ott. Dort fand sie 1958 ihre künstlerische Heimat und gehört seither als Ensemble- und Ehrenmitglied zu den unangefochtenen Publikumslieblingen. Otts zweite Karriere begann in den 1950er Jahren als Kabarettistin, u.a. an der Seite ihres einstigen Ehemannes Ernst Waldbrunn. Nach der Scheidung 1964 schlug die Spezialistin des klassisch-wienerischen Genres die nächste Richtung ein und gab Abende als Diseuse, gemeinsam mit Julius Patzak oder Waldemar Kmentt.
Otts Soloprogramme wurden großteils von Lebensmensch Hans Weigel zusammen gestellt, mit dem sie bis zu seinem Tod 1991 liiert und das gemeinsame letzte halbe Jahr auch verheiratet war. Er galt als Otts Erfinder und gestaltete für sie das legendäre Programm Phantasie in Ö-Dur, das zu einem Markenzeichen der Partnerschaft Ott-Weigel wurde.
Mit Weigel gründete Ott 1983 die Festspiele Nestroy auf Liechtenstein, deren Intendantin und Regisseurin sie bis heute ist. Über Nestroy schreibt Ott in ihrem neuen Buch: Das ist für eine Frau gar nicht so leicht…Der Nestroysche Witz ist was Männliches…In den Stücken sind die Frauenrollen selten gut, für Nestroy steht das Satirische, Scharfe.
Heuer wird auf der Burg Liechtenstein in Maria Enzersdorf das Nestroy-Stück Eulenspiegel – Schabernack über Schabernack (21. 7. Bis 21. 8.) gespielt. Ott: Es fiel mir in die Hand, und ich wusste, man muss es spielen.
Ich habe gelernt, mir kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen
Was macht für Elfriede Ott einen guten Nestroy-Darsteller aus? Ich habe mir Kabarettisten geholt, weil die sprachlich ausgezeichnet sind und nicht diesen falsch verstandenen Nestroy-Duktus haben, von dem mir schlecht wird. In diesem Jahr ist Ciro de Luca in der Hauptrolle zu sehen, so wie viele ehemaliger Schauspielschüler der Ott.
1985 hat Ott die Schauspielabteilung des Wiener Konservatoriums gegründet und leitete sie bis zum Vorjahr. Ich würde es wieder machen, vielleicht mit weniger Lehrpersonal. Im Unterricht hat Ott viele glückliche Momente erlebt. Ott kann auf viele Schüler stolz sein, darunter Andre Heller, Nicolas Ofzarek, Christoph Friedl oder Sandra Cervik.
Aber ihr Herz hängt nicht allein an den prominent gewordenen Schauspielern, genau so an jenen der Szene. Ott besucht ständig Vorstellungen der Schützlinge und weiß aus erster Hand, dass die augenblicklich durch die Mühlen der Wiener Kulturpolitik gehende Theaterreform für große Verzweiflung sorgt. So findet Ott nicht richtig, wie viel Existenzängste junger Künstler der freien Szene Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S) verantwortet: Ich werde es ihm auch sagen, aber es wird ihn nicht interessieren.
Ihren Ex-Kollegen, Kunststaatssekretär Franz Morak (V), versteht Ott auch nicht: Es tut mir so leid, dass er das geworden ist. Immer wenn ich ihn sehe, denke ich mir, ich würde so gern wieder mit ihm arbeiten. Otts Bilanz der praktizierten österreichischen Kulturpolitik fällt nicht gut aus: Es ist genug Geld da, aber nur für Institutionen, die schon sehr viel Geld haben, um sie noch größer zu machen.
Eine der letzten Verfehlungen der Politik sei das Debakel um Hans Gratzer gewesen, der mit seiner Programmierung scheiterte. Schon der Weigel als Kenner dieses Genres der Volkskomödie hat gesagt, die Couplets sind ja ganz nett, aber spielen kann man die Stücke nicht mehr. Und tatsächlich blieb das Publikum aus, das hat es zuvor noch nicht gegeben. Für die Zukunft meines Hauses ist Ott optimistisch: Den Herbert Föttinger kann ich mir als Direktor der Josefstadt sehr gut vorstellen.
Bei aller Liebe wird die Ott demnächst aber fremd gehen. Im neuen Stadttheater Walfischgasse hat am 2. Juni ihr Duoabend mit Gerhard Bronner Premiere: Noch immer- schon wieder. Geboten werden Sachen, die wir früher gemacht haben. Wie Fritz Muliar gehört Gerhard Bronner zu ihren langjährigen Lieblingspartnern.
Fällt Männern das Älterwerden leichter als Frauen? Ott: Sie jammern zwar mehr, aber keiner sagt, der Oide. Bei Frauen geht es immer nur um das Alter. Daher betone sie heute ihr Alter sogar: Es ist eine Befreiung zu sagen, ich bin 80!. Es sei jedenfalls nicht so arg wie 60 zu werden. Da habe ich gedacht, die Welt geht unter. Dennoch gewinne man im Alter eine gewisse Gelassenheit und sogar Weisheit. Und ich habe gelernt, mir kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen.
Im Buch Ich hätte mitschreiben sollen…Splitter meines Lebens erfährt man über Ott schöne und schwierige Erinnerungen, wie den Tod des Vaters, die Beziehung zur Mutter, zu Ernst Waldbrunn, Hans Weigel, Tieren, zum Theater oder zum Alter. Es ist ein intensives Buch, das Einblicke in einen komplexen Charakter gibt, aber nichts auswalzt.
Die Josefstadt ehrt das älter gewordene Wiener Mädl, das u. a. auch Trägerin des Großen Silbernen Ehrenzeichens der Republik Österreich ist, mit einer Gala zum 80. Geburtstag am 12. Juni um 11.30 Uhr. Den eigentlichen Geburtstag am 11. Juni wird sie spielend im Stadttheater Walfischgasse verbringen, in einer Vorstellung von Noch immer – schon wieder.