Elektrisierende Heimatkunde

Absagen war bei mehr als 70 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern keine Option. Gleichzeitig verhießen die Wetteraussichten für den Samstagnachmittag wenig Gutes. Was also tun? Die Organisatoren der letzten vkw-Energiewanderung in diesem Sommer, die nach Schoppernau und Au führte, fackelten nicht lange und kürzten das Programm zeitlich entsprechend.

Vergangenheit und Gegenwart
Wolkenbänke schmiegen sich an die steilen Hänge der Kanisfluh. Nebelfetzen fließen die Felsen hinab. Darüber wölbt sich ein tiefblauer Himmel. Die Morgensonne wärmt langsam den Tag auf. Nichts deutet auf eine Wetterverschlechterung hin, und doch ist sie im Anmarsch, wie auf dem Handy von Karl Dörler regelmäßig einlangende Unwetterwarnungen prophezeien. Gemeinsam mit Gerlinde Obernosterer und Markus Erath führte der langjährige leitende vkw-Mitarbeiter die Teilnehmer durch ein spannendes Stück Heimatgeschichte und elektrisierende Gegenwart. Beides lief im Bregenzerwald zusammen wie am Schnürchen.

Geschichte und Geschichten
Die Wasserkraft und ihre Nutzung erlebbar machen steht als Ziel der vkw-Energiewanderungen ganz oben. Daneben ist es Karl Dörler auch ein Anliegen, Geschichte und Geschichten von Ortschaften lebendig werden zu lassen. In Schoppernau führt kein Weg an Franz Michael Felder vorbei. Die Wanderung selbst beginnt beim Parkplatz der Diedamskopfbahn. Von dort geht es zur Volksschule, die Felder besuchte, und weiter zur Pfarrkirche, bei der ein großes Denkmal des Schriftstellers, Sozialreformers und Bauern steht. Mit großem Interesse lauschen die Frauen und Männer den Ausführungen von Dörler zur Lebensgeschichte des jung verstorbenen Felders. Der geplante Besuch seines Geburts- und Wohnhauses fällt den Wetterprognosen zum Opfer, ebenso wie die Besichtigung des Bioheizwerks Gräsalp.

Gefragte Baukunst
Auf dem Achuferweg führt die Wanderung weiter zum Kleinkraftwerk Dürrenbach. Es wurde im Mai 2023 eröffnet und versorgt rund 1200 Haushalte mit Strom. Die Maschine im Inneren des mit Holz verkleideten Gebäudes brummt leise. Harald Feldkircher hat sie zwecks Lärmreduktion auf Niederlast geschaltet. Er zeigt auf die ganz in Blau gehaltene Dachkonstruktion. „Sind Wartungsarbeiten nötig, kann das Dach als Ganzes mittels Kran vom Unterbau gehoben und wieder draufgesetzt werden“, erklärt er den staunenden Besuchern. Das macht die Wartung der 20-Tonnen-Maschine einfacher. Von der hochtechnisierten Gegenwart taucht die Gruppe wieder ein in die Vergangenheit, nämlich jene der Bregenzerwälder Barockbaumeister. Ihnen ist in Au ein eigenes Museum gewidmet. Im renovierten Kurathus gibt es Einblicke in das Schaffen der 1657 von Michael Beer gegründeten Auer Zunft. Ihr lassen sich rund 800 Barockbauten in Mitteleuropa zuordnen. Aufmerksamkeit genießen auch die Erklärungen zur Entstehung bzw. künstlerischen Ausgestaltung der Kirche in Rehmen und zur Entwicklung des Ortsteils selbst, bekannt vor allem durch Kaplan Hugo Kleinbrod und die Gründung des Vorarlberger Kinderdorfs. Heute sind diese Häuser alle in Privatbesitz.

Zentrale Steuerung
Währenddessen verdunkeln immer mehr Wolken den Himmel, der Wind frischt auf. Es riecht geradezu nach Regen. Deshalb rasch zum Kleinwasserkraftwerk Argenbach, das im Frühjahr 2022 in Betrieb ging und die alte, weiter hinten gelegene Betriebsanlage ersetzt. „Das neue Werk kostete 35 Millionen Euro und beliefert 8000 Haushalte mit Energie“, lässt Urban Dünser die Besucher wissen. Die Steuerung erfolgt, wie inzwischen bei allen Kraftwerken, zentral. Urban kommt einmal in der Woche vorbei und schaut, ob alles in Ordnung ist. Wettertechnisch gilt das nur noch bedingt. Als der prognostizierte Regen kommt, lassen sich die Energiewanderer in der „Ur Alp“ in Au aber bereits Käsknöpfle und gebackene Schnitzel schmecken.