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Einsparungen beim Jugendcoaching sorgen für heftige Kritik

In den Gymnasien reagiere man "sehr alarmiert" auf die Sparmaßnahmen, berichtete AHS-Direktorensprecherin Isabella Zins.
In den Gymnasien reagiere man "sehr alarmiert" auf die Sparmaßnahmen, berichtete AHS-Direktorensprecherin Isabella Zins. ©APA/HANS PUNZ (Symbolbild)
Die geplanten Einsparungen beim Jugendcoaching sorgen an den Allgemeinbildenden und Berufsbildenden Höheren Schulen für Unmut.

Seit 2012 soll das Jugendcoaching Jugendliche ab 15 in Schule oder Ausbildung halten bzw. nach einem Abbruch wieder ins System zurückholen. Laut Evaluierung ist die Maßnahme ein Erfolg, von der Politik wurde sie oft als wichtiger Faktor für die in Österreich vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit beworben. Wegen des klammen Budgets muss jetzt aber auch hier gespart werden, an den AHS und BHS fällt ein Drittel des Angebots weg. In den Schulen sorgt das für Aufregung.

In den Gymnasien reagiere man "sehr alarmiert" auf die Sparmaßnahmen

In den Gymnasien reagiere man "sehr alarmiert" auf die Sparmaßnahmen, berichtete AHS-Direktorensprecherin Isabella Zins der APA. "Wir sind wirklich entsetzt. In Zeiten wie diesen braucht es davon mehr und nicht weniger." Gerade im ersten Jahr der Oberstufe würden manche Jugendliche bemerken, dass sie mit dieser Schulform doch überfordert sind. Ohne Jugendcoaches fehle aber eine wichtige Ansprechstelle, die ihnen Alternativen aufzeigen und abwenden kann, dass sie aus dem System fallen. "Die Jugendcoaches haben diverse Testwerkzeuge an der Hand, viel Erfahrung und helfen auch bei Bewerbungen", betonte Zins deren Mehrwert. Lehrer und Klassenvorstände könnten das in dieser Qualität nicht bieten.

"Sehr heftig"

Auch die berufsbildenden höheren Schulen (BHS) treffen die Einsparungen laut Direktorensprecher Wolfgang Bodai "sehr heftig". "Wenn Jugendliche die Orientierung verlieren, helfen die Jugendcoaches wirklich sehr." Personen von außen würden die Schüler sich eher anvertrauen, an den Schulen gebe es auch kein entsprechend geschultes Personal.

An den AHS-Oberstufen wechselt über die Jahre ein Viertel der Jugendlichen in eine andere Schulausbildung oder bricht die Schule ab, an den BHS ist es ein Drittel. Am höchsten sind die Verlustraten jeweils im ersten Jahr, zeigt eine Auswertung der Statistik Austria. Alternativen zum Jugendcoaching gibt es an den höheren Schulen mit ihren rund 230.000 Schülerinnen und Schülern kaum. Erst seit diesem Herbst gibt es auch dort Schulsozialarbeit, gestartet wurde mit 30 Posten.

Ministerium: Beratung "nur in geringerem Ausmaß"

Im Büro von Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) wurde gegenüber der APA betont, dass Prävention durch das Jugendcoaching trotz Einsparungen auch an den AHS und BHS weiter stattfinde - "nur in geringerem Ausmaß". Prinzipiell soll es auch weiter allen Jugendlichen an maturaführenden Schulen offenstehen, es könne aber zu Wartezeiten kommen.

Bei der Budgetplanung habe man beim Jugendcoaching nur dort eingespart, wo es am ehesten vertretbar sei: Innerhalb der höheren Schulen wurde zu Regionen mit bisher wenig Angebot umgeschichtet. Und es wurden Mittel von den AHS und BHS, wo man im Ministerium das vergleichsweise "größte Selbstorganisationspotenzial" sieht, in Bereiche mit "besonders hohem Bedarf" verschoben - konkret zu Bildungs- und Ausbildungsabbrechern, für die es mehr Angebot als früher brauche, in den Pflichtschulbereich und zu jungen Menschen mit Behinderung.

Dadurch musste zum Beispiel das Jugendcoaching in Wien mit seinem sehr hohen Bedarf über alle Bereiche hinweg deutlich weniger stark zurückgefahren werden als österreichweit (minus 0,4 Prozent gegenüber 1,5). Möglich war das aber nur, weil auch in der Bundeshauptstadt selbst das Angebot an höheren Schulen um ein Drittel gekürzt wurde, hieß es aus dem Ministerium.

Wie viele Köpfe oder Vollzeitposten aktuell insgesamt eingespart werden, konnte man auf die Schnelle nicht sagen. In der Praxis seien die Projekte nämlich oft nicht nur auf einen Bereich beschränkt. Im Ministerium geht man davon aus, dass man wegen der Einsparungen heuer und im nächsten Jahr das Angebot über alle Bereiche hinweg auf 69.000 Förderfälle zurückfahren muss, budgetiert sind dafür 72,5 bzw. 71,4 Mio. Euro. 2024 gab es noch über 70.100 Förderfälle.

Widerspruch zu geplantem "Perspektivengespräch"

Mario Steiner vom Institut für Höhere Studien (IHS), der das Jugendcoaching 2021 evaluiert und dem Modell eine "beeindruckende" Erfolgsbilanz attestiert hat, hält Kürzungen in diesem Bereich grundsätzlich für "sehr kurzsichtig". Nur mit einer guten Beratung könne man verhindern, dass Jugendliche Zeit und der Staat Geld in eine Ausbildung stecken, die eigentlich nicht passt und schließlich abgebrochen wird. Wenn man in dem Bereich unbedingt kürzen müsse, dann aber sinnvollerweise dort, wo die Probleme noch am vergleichsweise geringsten sind.

Kritik an den Einsparungen kommt auch wegen des Zeitpunkts. Denn just während das Bildungsministerium die Einführung von Perspektivengesprächen vorbereitet, mit denen man Schulabbrechern Weiterentwicklungsmöglichkeiten aufzeigen und sie beim Wechsel in eine andere Schule oder Ausbildung unterstützen will, wird vom Sozialministerium bei den Jugendcoaches, zu deren Job auch das Vermeiden von Schulabbrüchen gehört, gekürzt. "Das widerspricht sich gegenseitig", befand Steiner. Geht es nach BHS-Direktorensprecher Bodai, würden die Jugendcoaches außerdem eigentlich auch für die Perspektivengespräche dringend benötigt.

Aus dem Sozialministerium hieß es dazu, dass die Perspektivengespräche grundsätzlich von vertrauten Lehrern geführt werden sollen. Im Gesetzestext werde zwar ausgeführt, dass externes Personal wie ein Jugendcoach hinzugezogen werden "kann", und inhaltlich würde sich das auch anbieten. Ob auch Jugendcoaches dafür verfügbar sind, müsse aber "in jedem Einzelfall geprüft werden".

(APA/Red)

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