AA

Eine Stadt wie ein Bergwerk

400 Tonnen pro Wiener: So groß ist das Potenzial zur Wiederverwendung verbauter Masse.
400 Tonnen pro Wiener: So groß ist das Potenzial zur Wiederverwendung verbauter Masse.
Bergwerk: Da denkt man unwillkürlich an enge Schächte und Kumpel. Aber auch Ihr Wohnhaus, Straßen oder U-Bahn-Stationen sind echte „Goldminen“.

Aufmerksamen Lesern ist es vielleicht schon aufgefallen: Buntmetall-, vor allem Kupfer-Diebstähle häufen sich. Erst Ende November wurden 2,5 Kilometer Erdungskabel im Bereich der Station Alterlaa entwendet – laut Wiener Linien beträgt der Schaden einige tausend Euro. Nun ist die widerrechtliche Aneignung von Rohstoffen natürlich ein Verbrechen, aber die Idee, die Stadt als Quelle wichtiger Ressourcen zu begreifen, hat Zukunft.

Jedes Abbruchhaus ist ein Schatz

„Urban Mining“, zu Deutsch „Stadtschürfung“, bezeichnet den Ansatz, die Großstadt als Bergwerk zu sehen. Experten sind davon überzeugt, dass Rohstoffe in Gebäuden, Industrieanlagen, Verkehrsmitteln, Handys oder alten Computern nur „geparkt“ sind – wir wohnen inmitten einer riesigen Rohstoffquelle. Jedes Gebäude, das entkernt oder abgerissen wird, birgt eine Menge wertvoller Materialien, die wiederverwertet werden können. Urban Mining ist – zumindest theoretisch – eine clevere Strategie der Wegwerfgesellschaft. Bodenschätze könnten so im Kreislauf bleiben – am besten schon, bevor sie auf der Mülldeponie landen.

Landkarte urbaner Lagerstätten

Wo allerdings welche Materialien in welcher Menge „gelagert“ sind, wurde bis dato nicht erforscht. „Ideal wäre, eine Art Landkarte der urbanen Lagerstätten zu erstellen: Wo ist der Stahl, wo das Aluminium in der Stadt?“, sagt Helmut Rechberger, Professor am Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft an der TU Wien. Rechberger hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen Rohstoffkataster sogenannter „sekundärer Rohstoffe“ zu erstellen. Denn das Wissen, wo wie viele Rohstoffe versteckt sind, hat globale Dimension: „Für die Entwicklung der globalen Wirtschaft sind Metalle ein guter Indikator. Deren Preise sowie die anderer Rohstoffe orientieren sich wiederum an der chinesischen Wirtschaftsentwicklung“, erklärt Stephan Lingnau, Analyst der Erste Group. „Wenn die Preise steigen, werden Diebstähle wie der in der Wiener U-Bahn häufiger vorkommen“, glaubt Rechberger. „Wenn etwa der Eisen-Preis steigt, könnte es passieren, dass die Menschen Kanaldeckel mitnehmen. Nicht zu hohe Preise und nicht zu niedrige, das wäre optimal.“

www.wienerbezirksblatt.at

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Eine Stadt wie ein Bergwerk
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen