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Eine dunkle Begierde

Wer sich beim neuesten Film von David Cronenberg auf Horror, Gewalt und Sexualität freut, wird möglicherweise etwas enttäuscht sein - oder auch nicht. Denn auch wenn bei "Eine dunkle Begierde" an der Oberfläche vieles nach einem recht klassischen Historienfilm aussieht, so brodelt es unter den hohen Krägen und den vielen Kleiderschichten der Protagonisten doch gewaltig. Hier geht's zum Trailer Alle Spielzeiten auf einen Blick

Cronenberg hat den Beginn der Psychoanalyse anhand des Dreiecks Sigmund Freud, C.G. Jung und dessen Patientin Sabina Spielrein inszeniert und einen unterschwelligen Film mit tiefen Abgründen geschaffen. Ab Freitag im Kino.

Wien. Der Verzicht auf Schockbilder oder Exzesse ist stilistisch konsequent, arbeitet Cronenberg doch nicht zuletzt jene inneren Triebe heraus, denen Freud und Jung – gespielt von Viggo Mortensen und Michael Fassbender – selbst auf der Spur waren. Mittels vieler Gespräche und somit ganz nach Freuds Methode gelingt es Jung, seine Patientin Spielrein – verkörpert von Keira Knightley – von ihren hysterischen Anfällen zu kurieren und sie ihre unbewussten sexuellen Vorlieben erkennen zu lassen. Und auch der fachliche und freundschaftliche Austausch mit dem Wiener Vorbild tut Jung gut.

Doch bald verkomplizieren sich die Beziehungen: Mit Sabina, die selbst erfolgreich einen Lebensweg als Ärztin und Psychoanalytikerin anstrebt, beginnt Jung auf den Rat seines psychisch kranken Kollegen Otto Gross (Vincent Cassel) hin eine leidenschaftliche sadomasochistische Affäre, die den Arzt und Ehemann zunehmend aus der Fassung bringt und in Schuldgefühle stürzt. Und auch mit Freud kommt es aufgrund von Jungs Interesse für das Mythische zu Differenzen, die schließlich vor den durch dunkle Wolken angekündigten und gefährlich dräuenden Weltkriegen zum Bruch führen.

Es sind diese Stimmungen, die Cronenberg wie nur wenige andere Regisseure zu transportieren weiß, die latenten Spannungen, die seelischen Untiefen, die Risse unter dem Mantel der bürgerlichen Gesellschaft. Nicht immer gelingt es ihm jedoch, diese inneren Konflikte auch in eine dramaturgische Spannung zu verwandeln, vielfach verlässt er sich visuell auf vieldeutige Metaphorik und mächtige Gebäude, hinter deren Fassaden so viel Unausgesprochenes lauert. Dabei entstehen in dem dialogreichen Drama teils seltsame Leerläufe, die auch die famose Ausstattung nicht wettmachen kann.

Gedreht wurde teilweise an Originalschauplätzen, etwa in der Wiener Berggasse 19, der ehemaligen Heimstatt von Sigmund Freud, oder im Garten des Schlosses Belvedere, was dem Film gerade für das österreichische Publikum einige schöne Wiedererkennungseffekte bescheren wird. Dennoch wird sich in diesem Publikum auch so mancher über Keira Knightley wundern, der man vor allem die Anfälle zu Beginn keine Minute abkauft und die von der britischen Presse dafür eine Menge Kritik einstecken musste. Viggo Mortensens Freud und Michael Fassbenders Jung sind dagegen äußerst sehenswert.

Ursprünglich hätte Christoph Waltz die Rolle des Freud spielen sollen, dieser verzichtete jedoch zugunsten von “Wasser für die Elefanten” auf die Besetzung. Als Vorlage für Cronenbergs Film diente das Theaterstück “The Talking Cure” des britischen Autors Christopher Hampton. “Wenn ich einen Film mache, ist es so, als hätte ich vorher noch nie einen gemacht”, erläuterte der kanadische Regisseur im APA-Gespräch. Da gebe es keine Checklist, welche für ihn typischen Elemente noch rein müssten. “Aber wenn es diesmal schon keinen Körperhorror gibt, dann zumindest ein starkes Körperbewusstsein.”

 

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