Eindringliche Warnung vor Unterschätzen der "Grippe"

Alle Jahre wieder - ausgenommen in den von den Covid-19-Lockdowns und Distanzierungsmaßnahmen geprägten Saisonen - sorgt die Grippewelle in verschieden hohen Ausprägungen für massive Belastungen bei Betroffenen und im gesamten Gesundheitssystem. Richtig los geht es in Österreich meistens gegen Mitte oder Ende Jänner, bis es dann Ende März langsam wärmer wird. Zwischen fünf und zehn Prozent der Erwachsenen und um die zehn bis 20 Prozent der Kinder sind in einigen Jahren von den Influenzawellen betroffen, erklärte am Montagnachmittag Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität Wien. Auch wenn auf Totenscheinen "Influenza" als Todesursache selten zu finden ist, sterben im Schnitt um die 1.300 Personen im Land infolge einer solchen Erkrankung - oft auch an Herzinfarkten oder Schlaganfällen in Verbindung mit der Infektion.
"Höchste Krankheitslast für Bevölkerung"
Der Einfluss der Erkrankung, die laut internationalen Analysen die "höchste Krankheitslast für die Bevölkerung" unter allen wiederkehrenden Infektionen mit sich bringt, ist in den Statistiken deutlich sichtbar. Zuletzt am stärksten spürbar war dies in der Saison 2022/2023. Nachdem in den Wintern davor die Covid-19-Maßnahmen die Influenza-Verbreitung nahezu zum Erliegen gebracht hatten, gab es damals rund 700.000 Erkrankungen und ungefähr 4.000 sogenannte Influenza-assoziierte Todesfälle. Ein Muster, das man aus der Medizingeschichte bereits kenne: "Die Influenza schlägt nach Pausen immer doppelt so hart zurück", sagte Redlberger-Fritz am Rande eines u.a. vom an der Icahn School of Medicine (New York) sowie an der MedUni Wien tätigen Vakzinologen Florian Krammer organisierten Runden Tisches zum Thema, an dem auch ein besonders stark betroffenes Ehepaar aus Frankreich teilgenommen hat.
Das Leben der Familie wurde durch den extrem schweren Verlauf bei der Ehefrau völlig umgeworfen, wie die Betroffenen erklärten. Innerhalb weniger Stunden nach dem Auftreten erster Symptome hatte sich der Gesamtzustand der Frau stark verschlechtert. Im Endeffekt verbrachte sie um die sechs Monate im Koma und insgesamt rund zehn Monate im Krankenhaus. Verschiedenste Komplikationen kosteten ihr letztlich Teile der Beine und Finger. Das Ehepaar widmet sich seither dem Comeback nach der Erkrankung und will das Bewusstsein für die unterschätzten Gefahren erhöhen, vor denen auch "Jugend nicht schützt".
Influenza spielt "Stille-Post-Spiel der Natur"
Klar sei, hier handle es sich um einen "Extremfall", wie Matthias Vossen von der Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin I betonte. Man sollte aber bedenken, dass die Frau keine Vorerkrankung hatte. Außerdem hatte sie sich in der Vorsaison impfen lassen und auch bereits Erfahrung mit einer früheren Influenza-Infektion. In der Saison, wo die Krankheit sie dann so schwer getroffen hat, war sie nicht geimpft. Wäre sie es gewesen, hätte dies den Verlauf vermutlich zumindest abgefedert, so Redlberger-Fritz.
Die Krux bei den Influenzaviren ist ihre Tendenz, sich genetisch recht rasch zu verändern, so Krammer und Redlberger-Fritz. Das sei wie ein "Stille-Post-Spiel der Natur", erklärte letztere. Die immer etwas veränderte Erbgut-Kopie "von einer Kopie und ihrer Kopie und wiederum deren Kopie" sieht einfach irgendwann derart anders aus, dass sie unser Immunsystem nicht mehr ausreichend erkennt. Daher brauche es eben jedes Jahr eine neue Impfung. Das sei vielleicht lästig, könne die Krankheitslast aber deutlich reduzieren, so die Expertinnen und Experten, die auf rund 5.000 bis 6.000 Hospitalisierungen pro Jahr in Österreich hinwiesen.
Ungünstige Kombinationen bringen große klinische Probleme
Das betrifft besonders die Gruppe 70-plus. Gefürchtet ist vor allem die Kombination von höherem Alter, Vorerkrankungen, wie COPD oder Asthma und einem schweren Verlauf. Setzt sich dann auf die Influenza-bedingte Lungenentzündung noch eine bakterielle Erkrankung, werde es besonders schwierig, so der Kliniker Vossen. Letztlich lägen Betroffene manchmal monatelang auf der Intensivstation und müssen künstlich beatmet werden. Viele Ältere können danach ihr gewohntes Leben nicht mehr aufnehmen und müssen in ein Pflegeheim überstellt werden.
Das sei auch eine "enorme Belastung des Gesamtsystems", sagte Vossen. Zu den zahlreichen schweren Verläufen kommen am Höhepunkt der Welle bekanntlich viele Krankenstände - auch unter dem ärztlichen- und Pflegepersonal. Vossen: "Menschen mit schweren Verläufen sind hochansteckend." Führe man sich all das vor Augen, könne man sagen: "Wir wären sehr dankbar, wenn Sie sich impfen lassen", betonte der Mediziner.
(S E R V I C E - Informationen der Meduni Wien zur Influenzaüberwachung in Österreich: )
(APA)