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Ein Urteil veränderte den Fußball

Ein Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshof vom 15. Dezember 1995 veränderte den Profi-Fußball in seinen Grundfesten. Das Transfersystem und die Ausländerbeschränkungen fielen nach dem Bosman-Prozess.

Am Donnerstag jährt sich das Bosman-Urteil der höchsten europäischen Instanz zum zehnten Mal. Die EU-Rechtsangelegenheit “C-415/93” veränderte die Sportwelt wie keine zweite. Grundlage des Urteilsspruches bildete der Artikel 48 des EWG-Vertrages, der die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der EU garantiert. Die Freizügigkeit von Personen ist als eine von vier Grundfreiheiten seit den EU-Verträgen von Nizza 2003 geregelt. Demnach könne jeder EU-Ausländer als Arbeitnehmer zu denselben Bedingungen wie ein Inländer seinen Arbeitsplatz frei wählen.

Frei wählen konnte Jean-Marc Bosman 1990 nicht. Der belgische Durchschnitts-Profi wollte nach seinem Vertragsende beim FC Lüttich zum französischen Zweitligisten Dünkirchen wechseln, sein Ex-Klub verlangte aber 800.000 Dollar Ablöse – ein unrealistische Summe. Bosman hatte sich zuvor geweigert, seinen Kontrakt in Lüttich für das national festgelegte Mindestgehalt zu verlängern, und wurde suspendiert. Der EuGH gab dem heute 43-jährigen Belgier Recht, erklärte die bis dahin geltenden Transferbestimmungen (Wechsel nach Vertragsende nur nach Zustimmung des bisherigen Klubs bzw. nach Zahlung von Ablöse) für illegal und brachte damit einen Stein ins Rollen.

Die Macht hat sich von den Vereinen zu Gunsten der Spieler und deren Manager verschoben. Nach Vertragsende können Profis – im Gegensatz zu Amateuren – nun ablösefrei ihre Klubs wechseln und streichen dafür an Stelle der fälligen Ablösesummen teils hohe Prämien und langfristige Verträge ein. Vereine finanzieren sich damit nicht mehr über Spielerverkäufe, sondern fast ausschließlich über Sponsoreinnahmen, TV-Gelder, Zuschauereinnahmen und Merchandising. Ausbildungsentschädigungen werden in Österreich nur in geringem Maße bis zum 23. Lebensjahr bezahlt.

Beliebig viele EU-Ausländer sind seit 1995 im Profi-Fußball einsetzbar, mehrere “Gentlemen-Agreements” erwiesen sich als unhaltbar. Waren in der höchsten österreichischen Spielklasse vor Bosman 33 Legionäre engagiert, stieg deren Zahl zeitweise sogar auf über 100. Die Beschränkung der Nicht-EU-Ausländer ist nach wie vor jedem nationalen Verband selbst überlassen. In der Bundesliga gibt es keine Obergrenze, dafür wird die Hälfte des TV-Geldes proportional der Spielzeit von für das ÖFB-Nationalteam spielberechtigten Akteuren über den Österreicher-Topf an die Vereine verteilt. In internationalen Bewerben gibt es keine Beschränkung.

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