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Ein Stück "Rotes Wien" in der Bronx in New York: Amalgamated Dwellings

In der New Yorker Bronx ist ein Stück Wiener Gemeindebau zu finden
In der New Yorker Bronx ist ein Stück Wiener Gemeindebau zu finden ©Andrea Damm / pixelio.de (Sujet)
Auch in Tausenden Kilometern Entfernung lässt einen das"Rote Wien" nicht los: Wagt man sich als New-York-Tourist raus aus dem schicken Manhattan in die deutlich ärmere Bronx, sieht man sich ein Stück westlich des Harlem River plötzlich mit altvertrauter Gemeindebauarchitektur konfrontiert: den Amalgamated Dwellings.
Wien erklärt N.Y. Wohnbau

Tatsächlich sollen die 1930 erbauten Amalgamated Dwellings, eines der ältesten Sozialwohnbauprojekte des “Big Apple”, von den ersten Anlagen, welche die Wiener Sozialdemokraten für die Arbeiterklasse erbauen ließen, inspiriert worden sein. Ansonsten hat der städtische Wohnbau in New York City mit jenem der Bundeshauptstadt allerdings wenig gemein.

Das sind die Amalgamated Dwellings

Die Amalgamated Dwellings beherbergen rund 230 Wohnungen und wurden mit Geldern der Gewerkschaft der Textilarbeiter errichtet. Gemäß den Wiener Vorbildern sollten sie viel Luft, Licht und Sauberkeit zu leistbaren Preisen für die schuftende Unterschicht bringen, die üblicherweise in heruntergekommenen Zinsburgen hauste. Ein begrünter Innenhof, bogenartige Eingänge an den vier Seiten und von allen Bewohnern nutzbare Einrichtungen wie Waschküche und Bibliothek machen optische wie organisatorische Parallelen zu Karl-Marx-Hof, Rabenhof und Co sichtbar.

“Wien hatte in den 1930er-Jahren großen Einfluss auf Europa und die USA”, sagte David Burney, in der New Yorker Stadtpolitik für Bauagenden zuständig, am Rande einer Ausstellungseröffnung über den sozialen Wohnbau der Bundeshauptstadt im Austrian Cultural Forum im Gespräch mit Journalisten: “Jeder Architekt hier kennt den Karl-Marx-Hof.” Mit dem Nazi-Regime sei diese Signalwirkung freilich abrupt beendet worden.

Wohnbau made in Vienna in New York

Beeindruckend am geförderten Wohnbau made in Vienna sei dessen integrative Funktion. “Hier wird es viel mehr als Stigma begriffen”, so Burney. Laut seiner Politkollegin Kaye Matheny, verantwortlich für Wohnen und Stadtplanung, gibt New York mit mehr als 8,2 Millionen Einwohnern jährlich rund eine Milliarde Dollar (rund 760 Mio. Euro) für diesen Bereich aus, die Donaumetropole mit über 1,7 Millionen Einwohnern rund 600 Mio. Euro. Bis zu 16.000 neue geförderte Wohnungen entstehen jährlich im Big Apple, in Wien sind es durchschnittlich 6.000.

Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (S), der mit heimischen Architekten, Wohnbauforschern und Journalisten nach New York reiste, um sich dort die Rolle der öffentlichen Hand am Wohnungsmarkt anzusehen, fielen im Gespräch mit Journalisten nicht viele Aspekte ein, die sich Wien von der großen US-Metropole abschauen könne. Tatsächlich muten einige Dinge aus hiesiger Sicht etwas seltsam an – etwa in Sachen Vergabe, soziale Durchmischung und Bebauungsplan.

Via Verde in der Bronx

Bei “Via Verde”, einem sehr jungen Vorzeige-Bauprojekt in der Bronx, das in Partnerschaft mit Privaten gebaut wurde und mit Design und Öko punkten will, wurden die günstigen Miet- und Eigentumswohnungen ob der enormen Anzahl an Bewerbern nach einem Lotteriesystem vergeben, wie der mitwirkende Architekt Robert Garneau erklärte. Außerdem dürfte die Regel, dass Anrainer nicht mehr als 110 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienen dürfen, nicht gerade zur sozialen Durchmischung beitragen.

An einer anderen Ecke der Bronx wiederum wurden ein paar Dutzend Einfamilienhäuser, fixfertig per Lastwägen angeliefert, in den 1980ern in dichtest verbautes Gebiet gepflanzt. Das sollte – im Gegensatz zu den um die Mitte des 20. Jahrhunderts von der städtischen Wohnbaugesellschaft hochgezogenen Backsteinungetümer – Mittelklasseflair in die verkommene Gegend bringen. Den Flecken Grün vor ihrem Eigentum ließen die Bewohner allerdings bald mit Beton überziehen, um die Fläche als private Parkplätze vermieten zu können, berichtete William Menking, der mit “The Architects’ Newspaper” die größte amerikanische Branchenzeitschrift herausgibt, nicht ohne Hohn.

Trend zu kleineren Wohnungen

Angetan war Ludwig indes von einer knapp 220 Einheiten umfassenden Anlage, die betreutes Wohnen etwa für Langzeitarbeitslose oder geistig beeinträchtigten Menschen und günstige Apartments für Künstler mit niedrigem Einkommen unter einem Dach vereint. Das Haus in Brooklyn wurde von Grundstücksentwicklerin Abby Hamlin konzipiert – dank städtischer Auflagen. Um zwei hochpreisige Wohnungsbauten errichten zu können, musste sich Hamlin vertraglich verpflichten, dort auch dieses Projekt zu realisieren. Ein Performance-Saal, der vorrangig von den ansässigen Schauspielern und Musikern genutzt wird und auch der Nachbarschaft offen steht, soll Barrieren abschaffen.

Was New York und Wien verbindet, ist der Trend zu kleineren Wohnungen, um einerseits auf das Mehr an Singlehaushalten zu reagieren, und andererseits das Städtewachstum bei gleichzeitig begrenztem Bauland zu bewältigen. Während Wien “Smart-Wohnungen” baut, setzt man in New York auf “Micro-Apartments”. Im Unterschied zur Bundeshauptstadt werden die Mini-Wohnungen aber nicht in “herkömmliche” Wohnhäuser integriert, sondern als eigene Anlagen errichtet.

Pläne für Manhattan

Das erste derartige Vorhaben, das sich in einem öffentlichen Ideenwettbewerb durchsetzen konnte, soll demnächst in Downtown Manhattan realisiert werden. Von den 55 Wohnungen mit höchstens 35 Quadratmetern werden mehr als ein Drittel für einkommensschwache Mieter reserviert. Um derlei Projekte im großen Stil durchzuführen, bedarf es aber noch Gesetzesänderungen. Denn derzeit gilt etwa die Regelung, dass alle Wohnungen in New York – für den Musterbau wird es eine Sondergenehmigung geben – keinesfalls unter 40 Quadratmeter messen dürfen. Dass das Thema im Big Apple jedenfalls breit diskutiert wird, zeigt der Umstand, dass den “New Models for Housing New Yorkers” derzeit eine eigene Ausstellung im Stadtmuseum gewidmet ist.

(apa/red)

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